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Erst das Double, doch wie spielt sich’s weiter?

Nach dem 3:0 im Pokal­finale gegen RB Leipzig kann Münchens Trainer Niko Kovač die neue Saison des FC Bayern planen. Dass die Klubspitze ihn dann endlich unterstützen wird, ist damit aber nicht gesagt

Muss mit der Pokalbürde und dem ganzen Glitter die nächsten Schritte wagen: Niko Kovač Foto: Hilse/reuters

Aus dem Berliner Olympiastadion Johannes Kopp

Wenige Sekunden dauerte es nur, da überdeckten die goldenen Lamettafäden, die vom Dach des Berliner Olympiastadion herunterflatterten, nahezu den ganzen Rasen. Und an der fliegenden Seilkamera hatte sich ein dichter goldener Bandsalat verfangen, als sollten die TV-Bilder, die in die Welt gingen, ebenfalls in Gold getaucht werden. Prachtvoll sah auch das Ergebnis aus, das da auf den Videoscreens prangte: 3:0, klar und deutlich hatte der FC Bayern in diesem Pokalfinale den Herausforderer RB Leipzig in seine Schranken verwiesen und das zwölfte Double in der Vereinsgeschichte erreicht.

Der unterlegene Trainer Ralf Rangnick nahm zwar im Nachhinein nicht ganz wenig Glanz auch für sich und sein Team in Anspruch: „Das Ergebnis hat mit dem eigentlichen Spielverlauf nicht viel zu tun.“ Bis zum zweiten Treffer der Münchner (78. Minute, Kingsley Coman) hätte man auf Augenhöhe mit den Bayern agiert. Doch deren Coach Niko Kovač begrenzte das Gegnerlob. „Leipzig war der schwerste Gegner, den wir bekommen konnten, das hat man gerade in den ersten 30 Minuten gesehen.“

Fraglos war das bestens organisierte druckvolle Spiel der Leipziger in der ersten halben Stunde besonders sehenswert. Zwei, drei Offensivakteure brachten die Münchner bereits in deren Strafraum immer wieder in Bedrängnis. „Annähernd perfekt“, hob Rangnick hervor, habe man gespielt. Erst der wunderschöne Kopfballtreffer in der Rückwärtsbewegung von Robert Lewandowski (29. ) brachte die Leipziger vorläufig aus dem Konzept. Großchancen kreierten sie jedoch auch in der zweiten Hälfte. Emil Forsberg scheiterte etwa im Alleingang an Manuel Neuer, der trotz fehlender Spielpraxis in den letzten Wochen schon zu Beginn des Spiels mit einem herausragenden Reflex bestach.

Letztlich entschied die individuelle Klasse der Bayern diese Partie. „Die Qualität der Spieler sieht man bei den Toren“, bilanzierte Kovač. Der Perfektionismusstreber Ralf Rangnick, der gerade derlei individuellen Nachteile mit kollektiver Klasse kompensieren will, haderte dagegen mit den Unwägbarkeiten des Spiels. Alle seine Videoanalysten, versicherte er, hätten ihm bestätigt, dass Leipzig in der ersten Hälfte ein berechtigter Elfmeter versagt wurde, als Lewandowski angeblich Konaté an einem Nachschuss hinderte.

Als Niko Kovač und seine Schützlinge im Goldregen des Olympiastadions standen, spielten solche Detailfragen keine Rolle. Der Erfolg verdeckt erst einmal alles, nicht nur die Gegebenheiten diese Spiels, sondern die einer ganzen Saison. Münchens Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge behauptete nach dem Finale, ein Rauswurf von Kovač sei beim FC Bayern nie ein Thema gewesen. Dass in den vergangenen Wochen, als die Erfolge noch ungewiss waren, Solidaritätsbekundungen mit Kovač nie ein Thema waren, daran wollte sich an diesem Abend in der Bayern-Spitze offenbar niemand mehr erinnern.

Und so sprach auch Niko Kovač von der nächsten Saison bei den Bayern, der Trainingsvorbereitung und -steuerung, als ob es das Selbstverständlichste auf der Welt wäre. Allerdings bemerkte er: „Ich brauche sicherlich zwei, drei Wochen, um auch einmal herunterzukommen, zu relaxen, das zu verarbeiten.“

Eine fußballerische Idee wäre ein glaubwürdigeres Bekenntnis zum Trainer als die Verpflichtung von Spitzenspielern

Der 47-Jährige musste in seinem ersten Jahr bei den Münchner einen in großen Teilen veralteten Bayern-Kader zu Erfolgen führen – ohne die nötige Rückendeckung der Vereinsbosse. Dass ihm das gelungen ist, brachte ihm auch bei den eigenen Fans große Anerkennung ein. Im Olympiastadion huldigten sie ihm nach der Partie mit langwährenden Sprechchören.

Doch eigentlich beginnt seine Arbeit erst jetzt. Der von der Führung des FC Bayern hinausgezögerte Neuanfang steht nun tatsächlich an. Die französischen Weltmeister Benjamin Pavard und Lucas Hernández sowie das Hamburger Talent Fiete Arp wurden bereits verpflichtet. Die Bundesligastars Timo Werner und Kai Havertz werden seit geraumer Zeit mit dem Verein in Verbindung gebracht. Und offenes Interesse bekundete Präsident Uli Hoeneß am Wochenende am deutschen Nationalspieler Leroy Sané von Manchester City. Welches Konzept genau hinter dieser Personalplanung steht und inwieweit Wackelkandidat Kovačmit eingebunden war, weiß man nicht. Ebenso wenig ist bekannt, mit welcher Idee von Fußball der Verein auch auf internationaler Ebene wieder erfolgreich sein will.

Der Bayern-Trainer lobte am Samstagabend die systematische Arbeit von RB Leipzig, wo man nichts dem Zufall überlasse und jedes kleine Detail geplant sei. Davon kann sich der FC Bayern München durchaus etwas abschauen. Bislang verfuhren sie nach dem Prinzip, ihren Trainern – ob sie nun Felix Magath, Pep Guardiola oder eben Niko Kovačhießen – möglichst viele Ausnahmefußballer zur Verfügung zu stellen. Mit einem Bekenntnis zu einer Idee, mit einer eigenen fußballerischen Identität fiele es dem Verein indes leichter, sich zu ihren Trainern zu bekennen. Das Happy End vom Samstagabend mitsamt dem schönen Goldregen wird aber einen derartigen Besinnungsprozess eher unterspülen als fördern.

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