: Hoffen in Horn
Klinkenputzen im Villenviertel: Ein junger Politiker der Linken versucht, im wohlhabenden und CDU-lastigen Horn-Lehe Stimmen zu sammeln. Seine Chancen sind eher mau
Von Lukas Scharfenberger
Eigentlich kämpft er längst auf verlorenem Posten – deswegen aufgeben? Fehlanzeige! Dominik Lange steht lächelnd in dunklen Jeans, kariertem Hemd, sauberen spitzen Schuhen und einer großen Tasche von der Linken über der Schulter vor einem seiner heutigen Ziele: ein großer grauer Kasten – ein Studierendenwohnheim. Es ist Samstagnachmittag, eine Woche vor der Wahl zur bremischen Bürgerschaft am 26. Mai und die Sonne scheint auch im Stadtteil Horn-Lehe. Ein guter Tag, um an Haustüren für Stimmen zu werben.
Dominik Lange ist 24 Jahre alt, studiert an der Uni Bremen und arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter für die Bürgerschafts-Fraktion der Linken. Für den Beirat in Horn-Lehe kandidiert er auf Listenplatz drei. Bei der letzten Bürgerschaftswahl hatten die Linken hier 7,8 Prozent erzielt und einen Sitz im Beirat erhalten. Aktuelle Umfragen sehen die Linke bei 12 Prozent in Bremen, allerdings ist sie in Horn-Lehe traditionell schwächer als im Stadtdurchschnitt: Bei der letzten Wahl erzielte sie hier 2,1 Prozentpunkte weniger. Das liegt wohl auch an der in Horn-Lehe starken CDU: 2011 schnitt sie dort um acht Prozent besser ab als im Stadtdurchschnitt und 2015 immer noch um fünf.
Ein Platz im Beirat ist für Lange daher eher unwahrscheinlich: „Das klappt nur, wenn ich genug Personenstimmen bekomme und auf der Liste nach oben rutsche oder wir ein deutlich höheres Ergebnis einfahren, als erwartet.“ Doch das hält ihn nicht davon ab, an den Türen zu klingeln: „Ich mache vor allem Wahlkampf, damit auch die jüngeren und weniger wohlhabenden Menschen im Beirat gehört und ernst genommen werden. Dafür brauchen wir die Linke in Horn-Lehe“, sagt er gut gelaunt.
Dann klingelt er und macht Wahlkampf. Die beiden Studentinnen Sonja und Johanna bitten ihn sogar herein. In der WG-Wohnküche erzählen sie vom Sofa aus von den Problemen junger Menschen in Horn-Lehe: „Hier ist man ziemlich abgeschieden, kommt nachts schlecht nach Hause und die Wohnheimskneipe ist bevölkert von Familienvätern“, sagt Sonja. Ihre Mitbewohnerin Johanna beschwert sich über die schwierige Situation auf dem Wohnungsmarkt. Sie hätte sehr viele WG-Castings machen müssen, bis sie ein bezahlbares Zimmer gefunden hatte. Lange hört zu und nickt, kennt er. Dann stellt er seine Lösungen vor: mehr Wohnheime in Horn, Verbesserung des Nahverkehrs. Das kommt gut an. „Ich wähle eigentlich immer die Linken“, sagt Sonja.
Nicht alle Studenten sind links. „Ich bin eher für den Erhalt der Traditionen und hatte während der Flüchtlingskrise sogar kurz das Gefühl, AfD wählen zu müssen“, sagt ein junger Mann. Er grinst. Es entsteht eine kurze Gesprächspause. Doch auch sein Interesse kann Dominik wecken, als er ihm klar macht, dass er als studentische Hilfskraft eigentlich mehr Geld verdienen müsste. Trotzdem, die Linke wird er nicht wählen. „Das ist eher ungewöhnlich, einen so konservativen Studenten zu treffen“, sagt Dominik und steckt Flyer in die Türrahmen von denjenigen, die nicht da sind.
Draußen vor dem Fahrrad sagt er dann: „Es geht mir ja auch nicht nur um die Wähler von Linken und Grünen, sondern auch darum zu erfahren, wo der Schuh gerade drückt. Haustürwahlkampf ist dafür die beste Option, weil man hier mit allen Leuten in Kontakt kommen kann.“
Dann geht es auf dem Rad zügig zu den Mehrfamilienhäusern. An den Gegensprechanlagen wird man als Politiker häufiger abgewimmelt. „Bitte nicht“, „Ich brauche nichts!“ und „Versuchen sie es lieber woanders“, heißt es aus dem Lautsprecher. Ein paar machen dann doch die Tür auf. Ein junger Mann beschwert sich über die Wohnungssituation. Eine Rentnerin stellt ihre Katze Smiley vor, und eine zweite betont zwar immer wieder, dass sie die Kristina Vogt von den Linken mag, aber so wie immer SPD wählen werde. Nach zwei Stunden ist die Tour durch die Treppenhäuser vorbei: „Ich hatte hier auf mehr Reaktionen gehofft“, sagt Dominik. Er setzt sich kurz auf eine Treppe, mal einen Moment ausruhen.
Jetzt noch die letzte Station: die Einfamilienhäuser. Das erste liegt schön im Grünen, im Vorgarten spielen Kinder und auf der Haustür klebt ein Sticker mit einem klassischen Spruch der Klimabewegung. „Wahrscheinlich Grün-Wähler“, sagt Lange, bevor er klingelt. Eine Professorin der Uni Bremen öffnet die Tür. Während sie ihren Kindern Anweisungen für einen baldigen Ausflug gibt, formuliert sie, was sich für Bremen wünscht: bessere Fahrradwege, einen schnellen Ausstieg aus der Kohle, stärkeren öffentlichen Nahverkehr und vor allem eine Verbesserung der Kindergärten. Interessiert hört sie Langes Ideen. Zum Abschied sagt sie, dass sie noch nicht wisse ob sie Grüne oder Linke wählen werde.
Danach ist Feierabend. Er setzt sich in die besagte Studentenkneipe der älteren Herren und trifft dort zufällig einen Parteifreund. Während es am Nachbartisch um Fußball geht, spricht man hier über Politik. Dass viele noch zwischen Grünen und Linken schwanken, kann der Kollege gut verstehen. Er selbst will Kapitalismuskritik und Klimaschutz stärker verbinden: „Den Linken muss man sagen, dass die Revolution durch Mutter Natur kommen wird, und den Grünen, dass der Kapitalismus den Klimawandel nicht stoppen kann.“
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