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Vietnamesischer Autor aus NürnbergBehörde verteidigt Abschiebung

Das Flüchtlingamt hält die Abschiebung eines Menschenrechtlers immer noch für richtig. Dessen Bedeutung als Schriftsteller sei übertrieben.

Nguyen Quang Hong Nhan mit seiner ebenfalls abgeschobenen Frau und der 19-jährigen Tochter Foto: privat

Berlin taz | Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) hat nach öffentlicher Kritik den Fall eines abgeschobenen Vietnamesen erneut geprüft – und sieht keine Fehler. Im April hatten die Behörden den Autor und Menschenrechtler Nguyen Quang Hong Nhan und seine Frau abgeschoben. „Im Ergebnis wird an der getroffenen und gerichtlich überprüften Entscheidung festgehalten“, teilte ein Bamf-Sprecher der taz jetzt mit.

Gleichzeitig kommen Zweifel an der Bedeutung des Abgeschobenen auf. Sein Umfeld hatte ursprünglich angegeben, er sei für den Literaturnobelpreis nominiert gewesen. Die taz übernahm diese Angabe. Tatsächlich wurde der Autor für die Ehrung vorgeschlagen, aber nicht von Personen, die nach den Nobelpreisregeln zu einer Nominierung berechtigt sind. Der Autor publizierte seit 2011 rund 20 Bücher, aber vor allem Sachbücher zur Geschichte Viet­nams und zur Menschenrechtssituation. Romane waren nur vereinzelt darunter.

Nach Angaben der Tochter des Abgeschobenen, die in Nürnberg lebt, ist er nicht inhaftiert, wird aber von der Polizei überwacht. Er befinde sich in einem sehr kritischen Gesundheitszustand, weil er ohne seine dringend benötigten Medikamente abgeschoben wurde. Nach Aussagen des Nürnberger Unterstützerkreises, zu dem Studierende und Dozierende der Hochschule für Musik, Ärzte und Siemens-Mitarbeiter gehören, handelt es sich dabei um „hochgradige Herz- und Diabetesmedikamente“, auf die er angewiesen ist

Jeremias Schwarzer von der Hochschule für Musik, an der die Tochter des Abgeschobenen studiert, sagt der taz: „Eine Diskussion um die literarische Bedeutung des Mannes als Autor wäre in diesem Zusammenhang völlig unangemessen: Sein Engagement als Menschenrechtler ist unstrittig. Und darum ist die Abschiebung zumal in seinem kritischen Gesundheitszustand Unrecht.“

Der Unterstützerkreis hilft der Tochter in ihrem Kampf um ein Bleiberecht und fordert die Rückkehr der abgeschobenen Eltern. Hilfe gibt es auch von der Bundestagsabgeordneten Margarete Bause (Grüne), die sich allerdings wegen der „Sicherheit der Betroffenen“ nicht zu Einzelheiten ihres Engagements äußern möchte.

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6 Kommentare

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  • Es irritiert schon etwas, trotz der gerichtlichen Überprüfung, warum das Bamf nicht selbst den Gesundheitszustand durch einen Amtsartzt überprüfen lies. Verfügt die Verwaltung doch immer gerne amtsärtzliche Untersuchungen, wenn den eigenen Angaben nicht vertraut werden. Oder wurde das nur nicht publiziert?



    Oder wollte man einer erneuten Entführung eines vietnamesischen Dissidenten in unserem Land vorbeugen? Gab es "Mittagsgespräche" zwischen Altmaier und Seehofer, wegen der zuletzt getroffenen wirtschaftlichen Vereinbarungen beider Länder?



    Sind Korrektheitsnachweise über die Entscheidungen des Bamf neuerdings abschließend nur noch durch einen Realitätsbeweis herbeizuführen. Kritik an der bestehenden Gesetzgebung aus der Verwaltung heraus darf es wohl nicht geben; zumindest nicht unter Seehofer.



    Einen Sonderweg / Ausnahmeentscheidung aufgrund aussergewöhnlicher Lage ist wohl nicht gewollt oder gewünscht.



    Also einfach möglichst im gesetzesmäßigem Rahmen bleiben, keine Fehler machen, dann bleibt die "Weste sauber" ?! Soziale Kompetenz geht anders..



    Gerichtliche Überprüfung von Verwaltungsentscheidungen sind das Eine. Passives Verhalten in der Ausübung der Verwaltungstätigkeit im öffentlichen Bereich unter bewusster Hinnahme von lebensbedrohlichen Situationen das Andere.

    • @Sonnenhaus:

      Es gibt viele Gründe, warum keine Überprüfung durch einen Amtsarzt unnötig machen.

      Bei den Abschiebeverbot des §60 Abs. 5 AufenthG gilt zwar eine Amtsermittlungspflicht (acuh für das VG). Das bedeutet aber nicht, dass bei jeder Krankheit oder behaupteten Krankheit ein Amtsarzt eingeschaltet werden muss.



      Zum einen kann es gut sein, dass der Betroffene selbst Atteste vorlegt, welche die Krankheit belegen sollen.



      Anhand derer kann bereits eine Beurteilung erfolgen.



      Oder die vorgebrachte Krankheit ist schon an sich nicht ggeignet, ein Abschiebungsverbot zu begründen (z.B. weil sie im Heimatland behandelt werden kann).



      Nebenbei wissen wir nicht, ob es in diesem Fall eien amtsärtziche Untersuchugn gegeben hat oder nicht. Es sei den Sie habenI nfrmationen die ich nicht habe.



      Und auch wenn nicht, dann haben auch 2 Verwaltungsgerichte keien veranlassung für eine solche gesehen, nicht nur das BAMF. Denn die VGs prüfen den §60 Abs. 5 AufenthG.

      Und die Unterstellung, dass der gute Mann aufgrund von irgendwelchen geheimen Absprachen abgelehnt und abgeschoben wurde halte ich für eher ... weit hergeholt.



      Dazu ist er einfach nicht wichtig genug. Sonst würde er in Hanoi in einem gefängnis sitzen. Scheinbar haben die Behördne in Vietnam kaum Interesse an ihm. Denn der von ihnen angesprochene Fall zeigt vor allem eins: Sie sind nicht zimperlich im Umgang mit (chten) Dissidenten. Dass sie hier eher passiv sind deutet eher auf ein sehr geringes Interesse hin.

  • Und auch wenn ich Doppelposts nicht mag, wegen der Zeichenbegrenzung:

    Bezüglich der Krankheit wird es schwieriger, da ich nicht weiß welche Krankheit es ist, welche Medikamente notwendig sind und ob diese in Vietnam erlangt werden können.



    Die derzeitige Aussage ist, dass der "Zustand kritisch ist". Das ist erst einmal auch eien Behauptung.



    Was wir wissen ist, dass er sich jetzt schon wieder länger im Heimatland aufhält und er nicht verstorben ist (an den Folgen der Krankheit).



    Der §60 Abs. 5 des Aufenthaltsgesetzes sieht im Endeffekt vor, dass nur bei Krankheiten, die das Leben akut (meistens wird hier eine Prognose von etwa 2 bis 3 Jahren angesetzt) ein Acbhiebungsverbot in Betracht kommt. Diese Kranlkheit muss durch AUssagekräftige Atteste nachgewiesen sein. Die Erlangung der Behandlung im Zielland steht einem Abschiebunsgverbot ebenfalls entgegen.



    Eine starke Krankheitsbedingte Einschränkung steht aus SIcht des Gesetzes also einer Rückkehr nicht entgegen. Das ist auch der Sinn des Gesetzes, ob man das jetzt gut findet oder nicht.



    Was ich sagen kann ist, dass weder das BAMF noch die Verwaltungsgerichte zu der Überzeugung gelangt sind, dass ein solcher Fall hier vorliegt. Sonst wäre es nicht zu der Abschiebung gekommen.



    Ob man jetzt der Meinung ist, ob diese Entscheidung richtig oder falsch war muss jeder für sich entscheiden, rechtmäßig war sie aber. Sie wurde im rechtstaatlichen Verfahren überprüft, und da haben die Gerchte nun einmal das letzte Wort.



    Wenn man sagt es ist trotzdem falsch geht man in eine politische Grundsatzdebatte mit dem Ziel die Gesetze zu ändern. Aber vor den geltenden Gesetzen war es rechtmäßig. Ich finde das wichtig, weil man sonst impliziert, dass Behörden und Gerichte bewusst geltendes Recht missachten (=unrecht sprechen). Tun sie aber nicht. Sie orientieren sich an dem Recht, nicht an dem Empfinden einzelner Personen.



    Ich glaube viele sind sich dieses Umstandes nicht einmal bewusst und benutzen den Begriff Unrecht inflationär.

  • Wobei wir hier wieder bei einem grundsätzlichen Problem angekommen sind:



    Auch wenn eine Entscheidung von der zuständigen Behörde getroffen wurde, vor Gericht angefochten und auch vor diesem als rechtmäßig bestand hatte, wird trotzdem oft gesagt "es war nicht rechtmäßig". In diesem Fall 2 mal vor dem BAMF und 2 mal vor dem Verwaltungsgericht. Jetzt ist es aber gerade die Definitoon, dass ein Gericht die Recchtsmäßigkeit feststellt. Das ist hier geschehen, trotzdem wird es hier von einer Person aus dem Umfeld als "unrecht" bezeichnet, im Ton zieht es sich auch durch andere Aussagen in dem Artikel. Das liegt aber eher am subjektiven Gerechtigkeitsempfinden der betroffenen.

    Für das BAMF oder gerade auch für die Verwaltungsgerichte spielt dieses Empfinden aber keine Rolle und das soll es auch nicht spielen.

    Im vorliegenden Fall stellt sich ja die Frage, ob §3 AsylG zutrifft, also ob den Eltern aufgrund der (unterstellten) politischen Betätigung eine "Verfolgung" droht. Alles klar.



    Was ist Verfolgung? Da wird es schwieriger, ganz grob kann man sagen, dass jemanden ein starker Eingriff in seine Menschenrechte droht. Darunter kann, muss aber nicht, Polzeibeobachtung und auch soziale Isolation fallen. Hier geht es denn eher um Diskriminierung aufgrund der Tätigkeit. Ob diese hinreichend schwer ist müssen BAMF und die VG beurteilen.



    Im vorliegenden Fall sieht es erst einmal nicht so aus. Auch wenn es stimmt, was von Seiten der Unterstützer behauptet wird (und es ist derzeit eien Behauptung, nicht mehr), dann ist den Eltern bei der Rückkehr erst einmal nicht schlimmes Wiederfahren: Der Vater wurde nicht sofort weg gesperrt, misshandelt oder ähnliches. So gesehen erweisen sich die Beurteilung seitens der Behörden weiter als richtig.

    • @Mike-in-the-Box:

      Auch Richter sind keine Götter in schwarz und es wäre ein Witz, wenn man aufgrund einer anderen Rechtsauffassung diesen widerspricht. Gerade wenn es eine Abwägungsgeschichte ist, wie sie ja auch selbst sagen, spielt sehrwohl das persönliche Rechtsempfinden auch der Richter mit hinein. Eine andere rechtliche Auffassung ist also in keinem Fall erstmal falsch und schon garnicht kann die zugrunde liegende Rechtsfrage (nicht der Rechtsfall, das bitte ich zu unterscheiden) dadurch abgehandelt werden, dass Gerichte so und so entscheiden und damit hätten sich alle in ihren Kommentaren zurückzuhalten. Ich sage, GERADE in einem Rechtsstaat sind Urteile nicht nur dadurch jeglicher Kritik enthoben, dass ein Gericht nicht rechtswidrig entschieden hat. Sie sind noch nicht einmal zu akzeptieren, ansonsten würden sie die Existenz jeglicher Rechtsbehelfe ad absurdum führen.

      Das einzige, was man in einem Rechtsstaat tun muss, ist sich nicht auf gesetzwidrige Weise gegen Urteile zu wenden und bei letztinstanzlicher Entscheidung diese dann auch hinzunehmen.

      • @sart:

        Mir geht es eher grundsätzlich darum, dass sehr schnell das Wort "Unrecht" in den Raum geworfen wird, auch wenn es sich erstmal um ein normales rehtstaatliches Verfahren handelt. Der Begriff "Unrecht" ist da schon sehr hart und spricht ja erst einmal dem Rechtssystem schon seine Legitimität ab (die Entscheidun mag gefallen sein, aber dann wird sie eben als Unrechtmäßig bezeichnet).



        Das natürlich jeder weiter die Möglichkeit hat, Berufung einzulegen (auch wenn meinerErfahrung nach die Erfolgsaussichten außer in Grundsatzfragen eher überschaubar sind). Aber wenn man schon sofort den "Unrechtsbegriff" verwendet bereitet man ja auch direkt den Boden auch ein Urteil der höheren Instanz, welches einem nicht genehm ist, genauso als Unrecht abzutun. Und wenn es Unrecht ist ist man dann ja auf der moralisch richtigen Seite und dann ist es natürlich ein kleiner Schritt zu sagen, ich muss mich ja garnicht daran halten. Da sehe ich das Problem, dass da sofort schwere Geschütze aufgefahren werden. Kritik ist eien Sache, aber was bleibt nach "Unrecht" in Bezug auf eien Gerichtsentscheidung noch übrig? Luft nach oben ist da nicht mehr...