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Kolumne Lost in Trans*lationAnrufe, die Panik auslösen

Um sich ein neues Leben aufbauen zu können, musste unsere Autorin ihre Familie in der Türkei verlassen. Die Sorge um sie ist geblieben.

Unsere Autorin hat ihren Bruder lange nicht gesehen. Als er sie kontaktiert, befürchtet sie Schlimmes Foto: imago images/Westend61

N eulich bekam ich in den frühen Morgenstunden eine Nachricht von einer unbekannten Nummer. „Ruf mich dringend an“, stand darin. Als ich das Profilfoto auf WhatsApp sah, erkannte ich meinen Bruder, den ich seit 28 Jahren nicht mehr gesehen habe. Das konnte nur eins bedeuten: Meiner Mutter musste etwas geschehen sein. Eine Viertelstunde saß ich regungslos da. Ich war noch nicht bereit dafür, meine Mutter zu verlieren. Es ist lange her, seit ich meine Familie zuletzt gesehen habe.

Die Geschichte jeder trans* Frau ist gleich. Um die trans* Identität leben zu können, verlässt sie ihre Familie und ihr Wohnviertel und baut ein neues Leben auf. Auch ich habe meine Mutter zurückgelassen, um mein Leben als trans* Frau neu zu beginnen. Denn der Druck in der Nachbarschaft ist hoch. Ich wollte nicht, dass meine Mutter meinetwegen dumme Sprüche zu hören bekommt und sich Sorgen um mich macht.

Wir sehen uns zwar nicht mehr, aber allein zu wissen, dass meine Mutter am Leben ist, gibt mir Kraft. Eine halbe Stunde, nachdem ich die Nachricht bekommen habe, nehme ich all meinen Mut zusammen und rufe meinen Bruder an. Gleich als er „Hallo“ sagt, fange ich an zu weinen. „Keine Angst, unserer Mutter und unserem Vater ist nichts passiert“, sagt er. Mein Bruder kommt gleich zur Sache, aber er ist so aufgeregt, dass ich nichts von dem verstehe, was er sagt.

„Mein Herz, beruhige dich und erzähl alles ganz ruhig von Anfang an“, sage ich. „Ein Polizist aus Istanbul hat angerufen und nach dir gefragt“, erwidert er. Meine Mutter habe aus Angst um mich angefangen zu weinen. Jedes Mal, wenn die Polizei anruft, gerät sie in Panik, weil sie denkt, ich sei umgebracht worden, so wie viele andere trans* Frauen, über die sie Schlagzeilen liest. Gegen mich seien Ermittlungen eingeleitet worden und ich müsse vor dem Staatsanwalt aussagen, habe der Polizist gesagt.

Weggegangen, um die Familie zu schützen

Weiß die Istanbuler Polizei nicht, dass ich in Berlin lebe und arbeite? Ich bin keine 18-jährige Teenagerin mehr, warum sollte meine Familie für mich verantwortlich sein? Ich bin eine erwachsene Frau in ihren Vierzigern. Eine Person darf nur für eine Tat zur Verantwortung gezogen werden, die sie selbst begangen hat. Für die Straftat einer anderen Person haftet sie nur, wenn sie an der Tat beteiligt war, so steht es im Gesetz.

Warum kann also die Polizei – die mich jahrelang immer wieder rechtswidrig festgenommen hat, auf der Polizeiwache gefoltert, missbraucht und vergewaltigt hat, die mitten in der Nacht meine Wohnung stürmte und sie eine Woche lang ausspähte – mich nicht erreichen und ruft meine Familie an?

Ich habe sie vor 28 Jahren verlassen, um sie genau vor so etwas zu schützen. Sie sollen keine Angst um mich haben müssen und nicht meinetwegen in Schwierigkeiten geraten. Sollte ich eine Straftat begangen haben, nehme ich die Strafe an – doch das hat allein mit mir zu tun.

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