: Samstag gehört Dr. Vati mir
Zum ersten Mal seit 2006 haben Ärzt*innen und Medizinstudierende in Hamburg gestreikt. Sie fordern faire Tarifverträge und bessere Arbeitsbedingungen. Anlass für die Proteste ist das neue Tarif-Einheitsgesetz

Von Anna Dotti
Hüte, Sonnenbrillen, Westen, und ein Meer aus orangenen Fahnen: In ihren weißen Kitteln haben sich am Mittwoch rund 2.000 Hamburger Ärzt*innen vor der Asklepios-Klinik in St. Georg versammelt. Fast alle trugen ein Zeichen in Orange, der Farbe des Marburger Bundes. Die Fachgewerkschaft vertritt rund 70 Prozent der Krankenhausärzt*innen. Zum Warnstreik rief die Gewerkschaft die Hamburger Mediziner*innen zum ersten Mal seit 2006 auf.
Damals wie gestern standen zwei Forderungen im Mittelpunkt der Proteste: faire Tarifverträge und bessere Arbeitsbedingungen. Die Route führte von St. Georg zum Hauptbahnhof und über die Mönckebergstraße bis zum Gänsemarkt.
Vor allem traf der Streik die sieben Asklepios-Kliniken in der Stadt sowie das Universitätsklinikum Eppendorf. Dort wurde eine Notversorgung sichergestellt, nur medizinische Notfälle wurden behandelt. Die große Mehrheit der Protestler*innen waren junge Ärzt*innen, die vor den Auswirkungen ihrer Arbeitsbedingungen auf die Patient*innen warnten: „Müde Ärzte machen Fehler“. Auch Medizinstudierende der Uni Hamburg gingen auf die Straße. Wegen des Protestes, der auch die Lehre am UKE betraf, hatten sie den Tag frei bekommen.
Inmitten des Demonstrationszuges waren auch junge Mediziner*innen zu sehen, die mit ihren Kindern zur Demo kamen: Zeit für die Familie ist heute in ihrem Beruf ein Luxus. Sie fordern einen geregelten Arbeitsplan, weniger Überstunden und das Recht, zwei ganze Wochenenden im Monat frei zu haben. „Ein besserer Tarifvertrag macht bessere Arbeitsbedingungen“, sagt UKE-Klinikdirektor Frank Sommer, der zusammen mit seinen Kollegen für den Erhalt des spezifischen Ärztetarifvertrags und die Gehaltsanpassung protestiert.
Grundlage für die Forderungen sei „die Freiheit, für uns selbst zu verhandeln, weil wir am besten wissen, wie unsere Arbeitsbedingungen sind“, sagt Pedram Emami, erster Vorsitzender des Marburger Bundes in Hamburg. Anlass für die Proteste ist das neue Tarif-Einheitsgesetz, das Tarifverträge mit mehreren Gewerkschaften verhindern soll. Demnach sollten die Ärzte-Tarifverträge in den Kliniken von der größeren Gewerkschaft Ver.di vertreten werden – das überzeugt die Demonstrant*innen nicht.
Neben ihrer Unabhängigkeit und der Tarifsicherheit fordern die Ärzt*innen für das Jahr 2019 fünf Prozent mehr Lohn. Die Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände (VKA) hat bislang nur 1,4 Prozent angeboten. Am 2. Mai geht es zurück an den Verhandlungstisch.
Lesen gegen das Patriarchat
Auf taz.de finden Sie eine unabhängige, progressive Stimme – frei zugänglich, ermöglicht von unserer Community. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen