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„Tatort“ aus DresdenPardon wird nicht gegeben

Polizisten am Limit und gespenstisch erklingt Neil Youngs „Harvest Moon“: Im Dresdner „Tatort“ zeigen sich ein neues Gesicht und ein altes Motiv.

Auch wenn es schwerfällt: Karin Gorniak (Karin Hanczewski) will es wissen Foto: MDR/Wiedemann&Berg

Wieder dieses gewitzte Unterlaufen der Erwartungen, das man in Filmen nach Drehbüchern von Erol Yesilkaya häufig findet: Die Perspektive eines Fahrzeuglenkers einnehmend folgt die Kamera einer nächtlichen Landstraße, an einer Unfallstelle vorbei. Ein Auto hat sich überschlagen. Wie es dazu kam, erfahren wir nicht. Yesilkaya und Regisseur Alexander Eslam wollen auf etwas anderes hinaus.

Eine junge Frau kriecht aus dem Wrack, will telefonieren, findet kein Netz. Sie stolpert die Straße entlang, stößt auf ein geschlossenes Hotel. Gespenstisch weht Neil Youngs „Harvest Moon“ durch die leeren Räume. In der Küche lagert unter einer Plane ein menschlicher Körper. Nicht wie üblich eine leichtgeschürzte junge Frau, sondern ein Mann – Pluspunkt auf dem Bewertungsbogen.

Mörderische Dinge passieren. Es gelingt dem Unfallopfer, die Dresdener Polizei zu informieren. Die kommt mit großem Aufgebot. Und doch steht Kommissarin Gorniak (Karin Hanczewski) dem Täter alleine gegenüber. Wo ist eigentlich das SEK geblieben? Minuspunkt auf dem Bewertungsbogen.

Karin Gorniak, die schon in der vor gut einem Jahr ausgestrahlten Vorgängerfolge „Wer jetzt allein ist“ einiges erdulden musste, überlebt die Attacke, hat es nun satt und lässt sich in den Keller zur Asservatenverwaltung versetzen. Die Ermittlungsleitung übernimmt Oberkommissarin Leonie Winkler (Cornelia Gröschel). Sie hat die Stelle der ausgeschiedenen Henni Sieland (Alwara Höfels) angetreten und beim Einsatz in dem entlegenen Hotel gleich einen schweren Fehler begangen.

Der „Tatort“

„Dresden-Tatort: Das Nest“, Sonntag, 28. 4., 20.15 Uhr, Das Erste

Kratzbürstig und noch immer traumatisiert

Sie spürt die stillen Vorwürfe der Kollegen, auch den Druck des Vaters. Der, selbst vom Fach, macht kein Hehl daraus, dass er die Tochter für eine Fehlbesetzung hält. Die verrichtet ihre Arbeit lehrbuchgetreu. Doch erst als sie die kratzbürstige, noch immer traumatisierte Karin Gorniak bewegen kann, sich wieder mit dem Fall zu befassen, geht es voran.

Erol Yesilkaya kennt kein Pardon mit Polizisten. Im München-„Tatort“ „Die Wahrheit“ brachte er Batic und Leitmayr an ihre Grenzen, machte Frank Steier im Frankfurt-„Tatort“ „Das Haus am Ende der Straße“ beinahe zum Mörder. Für den Berlin-„Tatort“ „Meta“ erhielt Yesilkaya gemeinsam mit Regisseur Sebastian Marka einen Grimme-Preis. Zwar wurde „Das Nest“ szenenweise vordergründig auf Nervenkitzel gebürstet, aber im Gesamteindruck dominiert die Figurenpsychologie. Also jene Sparte, in der es wirklich spannend wird.

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1 Kommentar

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  • Hochgelobt - für mich nicht nachvollziehbar. Da erreicht der MDR also den Splatter-Standard, mit dem in den letzten Jahren die Skandinavische Krimiproduktion uns überschwemmt. Der Fluch Mankells - er würde sich wohl im Grabe umdrehen, wenn er das alles sehen müsste. Die Story: Vorsicht vor Bartträgern. Der Killer begründet sein Handeln damit, da es seiner Natur entspreche - das macht das Drehbuchschreiben einfach. Und zum guten Schluss, Legalität? Scheiß drauf! Die beiden Polizistinnen haben sich abgesprochen, die Exekution des Wahnkillers zu verschleiern. Danach lassen sich lächelnd als Heldinnen beklatschen und der Chef blickt betreten zu Boden - er weiß warum. Ernsthaft, das Bild solcher Polizisten, die das Recht zur Hinrichtung in die eigene Hand nehmen und juristisch wie moralisch unbehelligt bleiben, lässt mich schaudern. In Wirklichkeit müsste der Leiter der Mordkommission beide Kommissarinnen wegen Rechtsverstoß und psychischer Unberechenbarkeit aus dem Verkehr ziehen. Dem Drechbuchautor geht es halt nur um den schnellen Effekt - und zum Schluss Bam Bam Bam - Tatorte müssen halt auch sparen, die Drehzeiten gehen zurück, da bleiben Logik, Erklärung, Empathie auf der Strecke - Hauptsache keiner schaltet ab oder um. Mutig wäre es mal, wenn ein Drehbuch sich damit beschäftigen würde, dass solch traumatisierte Polizisten zu einer Gefahr für den Rechtsstaat und den Frieden in der Gesellschaft werden - aber das bring ja keine Quote.....