das ding, das kommt: Der angepasste Antisemit vom Altstädter Markt
Eine hohe Stirn über einer geraden Nase und fleischigen Wangen, die in einen wuchtigen Hals übergehen. Die Augen liegen unter schweren Lidern. So hat der Bildhauer Manfred Siehle-Wissel den ehemaligen Bürgermeister der Stadt Rendsburg, Heinrich de Haan, dargestellt. Seit rund zehn Jahren steht die Bronzebüste, die von der Familie de Haan in Auftrag gegeben wurde, vor dem Historischen Rathaus der Stadt. Dabei war de Haan NSDAP-Mitglied und nach neuen Erkenntnissen wohl mehr als ein Mitläufer. Also weg mit der Büste?
Die städtischen Gremien zögern, vor allem in der SPD herrschte Uneinigkeit. Nun soll erst ein Gutachten angefertigt werden. „Die Büste hat auf diesem Platz nichts zu suchen“, sagt Günter Neugebauer. Der SPD-Politiker und ehemalige Landtagsabgeordnete hat für sein Buch „Gegen das Vergessen. Opfer und Täter in Rendsburgs NS-Zeit“in Archiven und Museen geforscht und auch de Haans Biografie genauer untersucht. Bisher galt der Politiker, der 1895 in Bremerhaven geboren wurde, als Mitläufer, vielleicht sogar Opfer der NS-Herrschaft, schließlich verlor er sein Amt, das er 1929 angetreten hatte, im Jahr 1934. Als scheinbar Unverdächtiger wurde er 1950 erneut zum Bürgermeister gewählt und blieb es bis zum seinem Tod 1957.
Doch Neugebauer, der zwei Jahre an dem Buch forschte, schildert eine andere Sicht der Geschichte: De Haan war schon zu Weimarer Zeiten ein Antidemokrat und Antisemit. Sein Amt verlor er nicht aus politischen Gründen, sondern durch Intrigen des Nachfolgers Franz Krabbes, ebenfalls treues NSDAP-Mitglied. Beider Biografien sollten in der „Bürgermeistergalerie“ im Rathaus genauer kommentiert werden, fordert nicht nur Neugebauer, sondern auch die Historikerin Frauke Dettmer von der Gesellschaft für Rendsburger Stadt- und Kreisgeschichte. Rendsburgs heutiger Bürgermeister Pierre Gilgenast (SPD) wollte die Stele am liebsten sofort abbauen, auch die Linke plädiert dafür.
Doch die SPD-Ratsfraktion tat sich schwer: Eine Ratsfrau beantragte ein Gutachten. Zwar zog sie nach Protest aus den eigenen Reihen den Antrag zurück, aber ein fast wortgleicher Vorschlag der CDU erhielt eine Mehrheit. Bis der Gutachter seine Arbeit getan hat und die Gremien erneut entscheiden können, blickt de Haan weiter über einen der zentralen Plätze der Innenstadt – in frischem Glanz. Das Schwarz-Weiß-Rot, mit dem Unbekannte den Kopf angesprüht hatten, ist längst wieder entfernt. Esther Geißlinger
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