Staatssekretär-Rauswurf: „Wir werden gleich Sekt trinken“
Bildungssenatorin Scheeres (SPD) entlässt Staatssekretär Rackles trotz angeblich guten Verhältnisses und großer Verdienste. Den Posten übernimmt ihre Sprecherin.
Die Bildungsverwaltung muss ohne den Mann auskommen, der zwar nicht Everybody’s Darling war, aber über Parteigrenzen hinweg als der kompetenteste SPDler in der Schulpolitik galt: Senatorin Sandra Scheeres hat ihren Staatssekretär und Parteifreund Mark Rackles nach siebenjähriger Zusammenarbeit entlassen und durch ihre Pressesprecherin Beate Stoffers ersetzt, mit der sie seit ebenso langer Zeit zusammenarbeitet. Die oppositionelle CDU sieht ein Bauernopfer, mit dem Scheeres von sich selbst ablenken wolle.
Nichts hatte auf eine bevorstehende Entlassung Rackles’ hingewiesen, der am Dienstag bis Redaktionsschluss nicht für eine Stellungnahme zu erreichen war. Noch vergangenen Mittwoch beantwortete er gewohnt souverän im Hauptausschusses des Landesparlaments Fragen der Abgeordneten.
Senatorin Scheeres bestritt, dass ein Zerwürfnis zu dem Rauswurf führte. „Wir trennen uns tatsächlich ohne Streit“, sagte sie am Dienstag nach der Senatssitzung, in der die Landesregierung die Entlassung akzeptierte und Stoffers zu neuen Staatssekretärin machte. „Wir standen gerade noch lachend zusammen, wir werden auch einen Sekt trinken, wenn ich aus der Pressekonferenz komme.“
Es soll auch nicht um unterschiedliche Haltungen beim Thema Verbeamtung gegangen sein, wo Scheeres jüngst ihre über Jahre ablehnende Position aufgab. Sie lobte zudem Rackles’ fachliche Kompetenz, beide hätten „sehr gut zusammen gearbeitet“. Die Senatorin hob dabei die Schulbauoffensive der rot-rot-grünen Landesregierung hervor: „Hier hat er die Strukturen geschaffen.“
Der rot-rot-grüne Senat hat mit der Entlassung von Mark Rackles nun binnen vier Monaten vier kompetente Staatssekretär verloren. Bereits im Dezember mussten Boris Velter (SPD) und Jens-Holger Kirchner (Grüne) gehen.
Während Kirchners Chefin, die grünen-nahe Verkehrssenatorin Regine Günther, den Rauswurf mit dessen Erkrankung begründete, deutete im Falle von Velter Regierungschef Müller ein gestörtes Vertrauensverhältnis mit Gesundheitssenatorin Dilek Kolat an (alle SPD).
Fachfremde Gründe führten im Februar auch zur Entlassung von Henner Bunde, letzter CDU-Mann im Senat. Als möglicher Grund galt, dass Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) parteiinternem Druck nachgab, ihn zu abzulösen. (sta)
Kein Streit, gute Zusammenarbeit – wieso dann eine Trennung? „In siebeneinhalb Jahren kann sich eine Basis ausdünnen“, sagte Scheeres, lehnte es aber ab, konkreter zu werden. Sie kündigte an, dass sie neue Schwerpunkte setzen will. „Ich möchte das Thema des Managements problembelasteter Schulen anders angehen“, sagte sie etwa. Offen blieb, woher der neue Input kommen soll, weil Rackles’ Nachfolgerin Stoffers nicht nur seit sieben Jahren Pressesprecherin der Bildungsverwaltung ist, sondern bereits zu Scheeres’ engsten Beratern gehört.
Rackles verliert damit binnen eines Jahres seine zweite Führungsposition in der Berliner Politik. Bereits im Juni 2018 hatte er beim SPD-Landesparteitag nicht erneut als Vize-Landeschef kandidiert. Seinen Abgang nach acht Jahren als stellvertretender Vorsitzender begleitete er mit Kritik am weiterhin amtierenden Parteichef Michael Müller. „Die Vertrauensbasis des Landesvorstands ist offenbar aufgebraucht“, schrieb Rackles über die Führungsriege von Müller, der er selbst angehörte – auch er führte also wie Scheeres das Bild einer nicht mehr ausreichend tragenden Basis an.
Es war eines von mehreren Papieren zum Zustand der SPD, die Rackles verfasste, teils allein, teils als Sprecher der SPD-Linken, die er bis 2012 anführte. Unter anderem schlug er nach der für die SPD desaströsen Bundestagswahl 2017 vor, enger mit der Linkspartei zusammen zu arbeiten und bei Wahlen personelle Absprachen zu treffen. Seine Vorstöße machten ihn in der Partei nicht beliebter, trugen ihm aber den Ruf ein, für seine Meinung einzustehen.
CDU-Fraktionschef Burkard Dregger kommentierte in einer Presseerklärung mit Hildegard Bentele, der Bildungsexpertin der Fraktion, die während der rot-schwarzen Koalition bis 2016 mit Rackles zusammen arbeitete: „Es wäre besser gewesen, Scheeres selbst hätte ihren Platz und damit den Weg für eine bildungspolitische Wende zum Besseren freigemacht.“
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