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Bernhard Pötter Wir retten die WeltDie Ökoschweine waren die anderen

Besitzen Sie noch etwas von vor 30 Jahren? Ein unsterbliches Kuscheltier, einen unermüdlichen Oldtimer, Ihre große Liebe? Die Fischer, Killerwale, Seeotter und Algen rund um den Prinz-William-Sund in Alaska jedenfalls haben etwas, das sie erinnert. In der Nacht des 23. März 1989 lief der Supertanker „Exxon Valdez“ auf Grund und verseuchte das Meer und die Strände. Und das Öl ist immer noch da. Wenig, aber giftig.

Die Katastrophe der „Exxon Valdez“ ist so was von 80er Jahre. Es war die schlechte alte Zeit, wo uns alles um die Ohren flog. 1986 explodierte Tschernobyl, Sandoz vergiftete den Rhein, in Bhopal verseuchte 1984 ein Chemieunfall eine Stadt, und der Wald starb sowieso. Die Umweltbewegung wurde groß, weil der Feind klar auszumachen war: Die Ökoschweine arbeiteten auf der anderen Seite der Barrikade, sie hatten keine Skrupel, aber ein Gesicht, und wenn sie Pech hatten, stand ihr Name auch noch auf dem havarierten Tanker. Es war aber auch (mit ein bisschen Verzögerung) die Glanzzeit des technischen Umweltschutzes: Filter, Messprogramme, Umweltgesetze, Aufsichtsbehörden, die Probleme am heimischen Schornstein wurden gelöst oder verlagert.

Heute ist das alles ein bisschen komplizierter. Vielleicht sogar zwei bisschen. Klimawandel und Artenschwund sind unsichtbar, die Ökoschweine irgendwie wir alle und neue Gesetze schwierig, wie wir gerade beim Klimaschutzgesetz merken. Da passt die Nachricht, dass beim Desaster der „Exxon Valdez“ damals schon die Erwärmung im Spiel war: Der Tanker verließ seine Route, um einem Eisberg auszuweichen. Der stammte vom Columbia-Gletscher, der gleich neben der Route liegt. Und der begann damals schon zu kollabieren. Exxon wusste das. Gekümmert hat es sie nicht.

Eine Ironie der Geschichte, werden Sie sagen: Der Klimawandel, von Exxon und anderen Ölgiganten befeuert und geleugnet, schickt einen Eisberg, der einen Tanker voller Rohöl versenkt, das Gift für die Umwelt und das Klima ist. „Die Natur schlägt zurück“, heißt es dann: Wenn die Öl-Hauptstadt der Welt Houston im sintflutartigen Regen versinkt. Wenn der auftauende Permafrost die Pipelines absacken lässt oder eine Dürre den Klimakiller Viehzucht dezimiert.

Das ist großer Quatsch. Die Natur schlägt nicht zurück. Sie zieht sich zurück. Auch 30 Jahre später sind Exxon und seine Öltanker immer noch da. Aber der Columbia-Gletscher ist geschrumpft. Um 16 Kilometer.

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