Phosphatgewinnung in Togo: Die gelbe Gefahr
Das afrikanische Land verdient kräftig an der Förderung von Phosphat. Die Schäden für Mensch und Umwelt sind jedoch enorm.
Hinein führt eine Bahnlinie, alle 50 Minuten rollt ein Zug mit 900 Tonnen orangefarbenem Erz in das Fabrikgelände, insgesamt 25.000 Tonnen jeden Tag. Seit Jahrzehnten fräsen Bagger den Stoff aus zwei Tagebauen im Landesinneren. Hinaus ins Meer führt ein mehr als einen Kilometer langer Damm. Jeden Tag schiebt ein Förderband darüber rund 4.000 Tonnen Kalziumphosphatmischung aus der Fabrik. Am Ende rieselt es in die Bäuche großer Schüttgutfrachter, die es nach Uruguay, Indien oder auf die Philippinen bringen, wo es zu Dünger oder Reinigungsmittel weiterverarbeitet wird.
Firmensprecher Koffi Pannou versucht es zu erklären. Im Innern der Fabrikmauern hat er eine Art Showroom aufgebaut: Ein Modell der Fabrik, Karten der beiden Tagebaue, zwei Reihen Kinosessel für Gäste, denen er ein Werbevideo vorführt. Die Kennziffern der Produktion rattert er herunter, wohl Tausende Male hat Pannou sie schon referiert, im nächsten Jahr geht er in Rente. Wegziehen will er dann nicht: „Mein Haus steht hier ganz in der Nähe.“
„Unser Phosphat hat die beste Qualität weltweit“, sagt er. Die Mine ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für das Land. Rund eine Million Tonnen Phosphat exportiert Togo im Jahr, bald soll es wieder das Dreifache sein, der Weltmarktpreis schwankt stark, aber in guten Zeiten seien umgerechnet bis zu 350 Euro die Tonne drin, sagt Pannou.
Das gelbgraue Pulver, das die Fabrik verlässt, ist gereinigtes Kalziumphosphat. Das Erz, das hineingeht, ist eine Mischung aus Erde und dem Mineral Apatit, das auch Eisen und Chlorid enthält. Es wird in der Fabrik gewaschen, getrocknet, auf 800 Grad erhitzt, und mit großen Magneten wird das Eisenoxid herausgelöst.
„Allein mit Süßwasser könnten wir nicht waschen“, sagt Pannou. „Wir bräuchten zu viel davon.“ Also wird zuerst mit Salzwasser gespült, das danach wieder ins Meer geleitet wird. „Deswegen ist es hier so golden“, sagt Pannou. Es enthalte „Phosphatfeinstoffe in kleinen Mengen“. Ist das ein Umweltproblem, gefährlich für die Anwohner oder die Arbeiter? „Wir färben das Wasser“ sagt er. „Gut ist das nicht, aber hier sagen wir: Wer Omeletts will, muss Eier zerschlagen.“ Das Wasser wird nur gefärbt? „Wir leiten keine chemischen Mittel ein. Täten wir das, würden ja die Fische sterben. Aber es gibt hier viele Fische und alle hier essen sie.“
Satchibou Issaou arbeitet seit 1996 in der Fabrik, seit einigen Jahren ist er Betriebsratsvorsitzender. Während Pannou seinen Vortrag über die Fabrik hält, ist er mit im Raum. „Komm mit“, sagt Issaou am Ende. „Ich erzähl dir auch noch was. Aber nicht hier.“ Rund einen Kilometer weiter, am südlichen Ende des Betriebsgeländes, gibt es eine Art Terrasse neben den Wohnblocks für die Fabrikarbeiter. 1.300 Menschen beschäftigt die Phosphatgesellschaft direkt, dazu kommen laut Pannou etwa 700 Leiharbeiter.
„Wir dürfen keine Demos machen, aber wir dürfen streiken“, sagt Issaou. 43.000 CFA-Francs (65 Euro) verdiene ein einfacher Arbeiter im Monat, mit Zuschlägen kommt er am Ende umgerechnet auf etwa 100. Die Beschäftigten fordern das Doppelte. Immer wieder hat Issaou Streiks angeführt, den letzten vor einigen Monaten. Vor allem aber gehe es ihnen um die Sicherheit. „Die elementarsten Regeln werden hier nicht eingehalten“, sagt er. „Arbeitsschutz und Sicherheit spielen hier keine Rolle.“ 12 bis 15 schwere Unfälle gebe es im Jahr in den Minen und der Fabrik. Zuletzt kam im Juni 2018 der Arbeiter Kossi Marcelin Kpevon ums Leben.
Die Schäden beschränken sich nicht nur auf die Anwohner
„Und natürlich ist die Fabrik ein Umweltproblem“, sagt er. Zuletzt hätten Ärzte 2012 die Beschäftigten untersucht. Das Ergebnis: „Alle hatten Augenprobleme, wegen des Phosphatstaubs“, sagt Issaou. „Wir haben eine Untersuchung vom Gesundheitsministerium angefordert.“ Doch die habe es bislang nicht gegeben. Schließlich sei die Mine in Staatsbesitz. Wissenschaftler von der Universität in Lomé hätten vor Kurzem die Bewohner von Kpémé untersucht. „Die Mehrheit der Menschen hatte Probleme mit den Augen und den Zähnen.“ Für Issaou ist klar, dass dies eine Folge der Phosphatemissionen ist.
Die mutmaßlichen Schäden sind nicht auf die Anwohner beschränkt. Schon im Jahr 2007 stellte ein UN-Bericht fest, dass sich im Meer ein 500 Meter gelbgefärbter Wasserteppich je nach Stärke der Strömung bis zu 250 Kilometer nach Osten ausdehne, an der Küste Benins entlang bis vor die Küste Nigerias. Die Fische und Meerestiere hätten höhere Cadmium- und Bleiwerte als von der WHO erlaubt.
Das Fischereiforschungszentrum von Grand Popo in Benin hat schon vor mehreren Jahren im Meereswasser einen Phosphatgehalt von 2,28 Milligramm pro Liter festgestellt – der erlaubte Grenzwert, dessen Überschreitung zur Überdüngung des Wassers und damit zur Algenausbreitung und Erstickung des maritimen Ökosystems führt, liege bei 0,03. Die Fischer müssten sechs Kilometer aufs Meer hinausfahren, um überhaupt noch einen nennenswerten Fang zu bekommen.
Eine Sanierung der Fabrik wäre möglich – wird aber von Togos Behörden abgeblockt. Zwar schaltete im Auftrag von Togos Umwelt der Geologe Kissao Gnandi, der an der Universität Erlangen den Doktortitel erworben hat, die rheinland-pfälzische Abwassertechnikfirma AWAS ein, die im Mai 2018 die Fabrik in Togo besuchte, Proben entnahm und Gespräche auf Regierungsebene führte. Der Afrikabeauftragte von AWAS, Christof Hoyler, begleitete Firmenchef Heinz Ihne zu Verantwortlichen der SNPT, der Ministerien für Umwelt und Bergbau sowie zur Präsidentschaft. Im August unterbreiteten sie Togos neuem Umweltminister David Oladokoun Wonou einen Vorschlag für eine Wasseraufbereitungsanlage, mit einem Pilotprojekt von 465.000 Euro und einer späteren industriellen Anlage im Wert von 10 Millionen. Um diese Investitionen zu finanzieren, brauchte AWAS aber eine Beteiligung des togoischen Staates – und die gab es nicht.
Wenn Togo nicht offiziell hinter dem Projekt steht, kann es nicht umgesetzt werden. Auf taz-Anfrage teilt SNPT-Vorstandschef Ignace Anani Clomegah mit, das AWAS-Projekt sei unzureichend, denn nach der Aufbereitung des Wassers müssten die aus dem Wasser extrahierten Verunreinigungen ja noch entsorgt werden, und dafür liege kein Konzept vor: „Solange dafür keine Lösung gefunden wird, bleibt das Problem der Umweltverschmutzung bestehen, da die aus der Wasseraufbereitung gewonnen Abfälle weiterhin ins Meer geleitet werden.“ Das ist auch, nebenbei, ein Eingeständnis.
Phosphat ist in Togo mehr als nur einer der wichtigsten Wirtschaftszweige. Der Beginn des Phosphaterzabbaus in Togo fällt etwa mit der Unabhängigkeit des Landes 1960 zusammen; unter dem langjährigen Diktator Gnassingbé Eyadéma, Vater des seit 2005 regierenden heutigen Präsidenten Faure Gnassingbé, wurde der Sektor im Jahr 1974 verstaatlicht und zur strategischen Familienaffäre gemacht. Mba Kabassema, der frühere Leiter der staatlichen Phosphatfirma OTP (Office Togolais de Phosphate), Vorläufer der SNPT, enthüllte in einem Buch, dass damals ein Drittel der Einnahmen aus dem Phosphat direkt an den Präsidenten und seinen marokkanischen Wirtschaftsberater Maurice Assor gingen.
Ignace Anani Clomegah, SNPT-Vorstandschef
Viel scheint sich daran nicht geändert zu haben. Nach Angaben des im benachbarten Ghana entstandenen Rechercheverbands „African Investigative Publishing Collective“ hat Präsident Gnassingbé die faktische Leitung der SNPT zwei Geschäftsleuten mit doppelter marokkanischer und israelischer Staatsbürgerschaft übertragen: Raphael Edery und sein Sohn Liron. Sie tauchten nicht im offiziellen Organigramm der Firma auf, seien aber die faktischen Entscheider und verkauften 90 Prozent des togoischen Phosphats nach Indien, zu einem Vorzugspreis 10 Prozent unter dem Weltmarktpreis.
Der Käufer: die indische Kalyan-Gruppe, die Ashok Gupta gehört – einer der Geschäftsleute der Gupta-Familie, deren Aktivitäten in Südafrika dort massive Korruptionsaffären hervorgebracht haben. Kalyan investiert in Togo nun zu Vorzugsbedingungen in Lieblingsprojekte des Präsidenten wie ein neues Luxushotel, Palmölplantagen und Hühnerzucht. Es ist also nicht nur das Wasser, das in Togo saniert werden müsste.
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