Die Wahrheit: Fantastilliarden Tonnen
Nach der Havarie der „Viking Sky“ werden Rufe nach sicheren Kreuzfahrtschiffen laut. Eine Reederei im Emsland setzt auf schiere Größe.
„Mit dem Klimawandel wachsen die Sicherheitsanforderungen an unsere Schiffe. Haushohe Wellen, wie sie dem Kreuzfahrtschiff ‚Viking Sky‘ vor Norwegen neulich fast zum Verhängnis geworden wären, sind keine Seltenheit mehr“, erklärt Reeder Harry Peperkorn junior von der Peperkorn-Werft im emsländischen Papendieck. Seit drei Stunden fahren wir im Golfcaddy die gewaltige Bordwand des Kreuzfahrtschiffs „Iron Sky“ ab, das abholfertig in der Werft liegt. Eigentlich liegt nur der Bug des Mega-Liners in Papendieck, während das Heck bis nach Nordrhein-Westfalen ragt.
„Pah! Sicherheit!“, blökt Altreeder Harry Peperkorn senior dazwischen. „Früher ist man einfach mit Mann und Maus abgesoffen, wenn man in Seenot geriet. Diesen Anstand haben heutzutage nur noch die Flüchtlinge im Mittelmeer.“
„Die Zeit der christlichen Seefahrt ist eben vorbei“, besänftigt der Jungreeder, doch Peperkorn senior spuckt abfällig einen Priem aus. „Diese Süßwassermatrosen schreien doch schon bei der sanftesten Dünung nach dem Rettungshubschrauber“, krakeelt der Alte. Nachsichtig lächelnd kappt der Junior die Trosse, die den Rollstuhl des Alten mit unserem Fahrzeug verbindet. „Er hat in seiner Jugend halt noch Koggen für die Hanse gebaut“, seufzt der Jungreeder, als der Vater unter nautischen Verwünschungen auf ein Riff aus Ölfässern läuft.
Grundrecht auf Urlaub
Zwar ist die Untersuchung der spektakulären Havarie der „Viking Sky“ noch nicht abgeschlossen, doch lassen sich in der Peperkorn-Werft erste Folgen für die Branche besichtigen.
„Ich habe immer gesagt: Um wirklich hochseetauglich zu werden, müssten Kreuzfahrtschiffe noch viel größer sein“, bekräftigt der Reeder. „Immerhin gibt es ein Grundrecht auf ungestörten Urlaub in gefährlichen Seegebieten. Ist ja nicht so, als könnte man einfach woanders hinfahren.“
Die „Iron Sky“ mit ihren 30 Fantastilliarden Bruttoregistertonnen ist ein erster Beitrag zur maritimen Verkehrssicherheit. Das 150 Kilometer lange Schiff soll auf der ebenso langen Fährverbindung von Rostock nach Trelleborg eingesetzt werden. „Wenn man Bug und Heck in den jeweiligen Häfen gut vertäut, ist auch bei schwerem Seegang eine ruhige Überfahrt garantiert“, meint Peperkorn.
Ostfriesland wegbaggern
Sorgen bereitet dem Reeder allein die Überführung des Schiffes durch die Ems ins offene Meer. „Dafür müssten wir größere Teile des vorgelagerten Ostfrieslands wegbaggern, für die strukturschwache Region natürlich eine Riesenchance.“
Die EU scheint Peperkorns Sicherheitsanliegen zu unterstützen. In deren Hoheitsgewässern, vor allem im Mittelmeer, soll unbedingt auf Seenotrettungen verzichtet werden. Einige EU-Regierungen planen bereits, die ganze nasse Problemzone zwischen Ägäis und Balearen mit einem immobilen Riesendampfer aus Beton zu verbarrikadieren – der „Costa Concordia II“.
„Das ist natürlich ein weiterer Vorteil der vertäuten Seefahrt“, erklärt Peperkorn. „Kein Kapitän läuft mehr Gefahr, in juristisch unsichere Gewässer zu geraten.“
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