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Algerien im UmbruchAnruf ans System

Derzeit geht ein Video der algerischen Rapperin Raja Meziane in den Online-Netzwerken viral. Darin kritisiert sie das Regime Bouteflika scharf.

Gegen das System: DemonstrantInnen in Algier Foto: reuters

Berlin taz | Über sieben Millionen Aufrufe hat das Lied „Allo le Système“ auf YouTube. Damit ist die algerische Rapperin Raja Meziane schon eine Influencerin. Nicht für Schminktipps, sondern für eine politische Revolution.

Seit Wochen gehen die Menschen in Algerien gegen Präsident Abdelaziz Bouteflika und die korrupte Elite des Landes auf die Straße. Für Freitag sind erneut landesweite Großdemonstrationen geplant. Zwar haben die AlgerierInnen erreicht, dass der altersschwache Machthaber nicht mehr für eine fünfte Amtszeit kandidiert, doch eine Neuwahl wurde auf unbestimmte Zeit verschoben und die alte Elite droht, im Amt zu bleiben.

Da kommt Mezianes Stimme gerade richtig. „Heute wollen wir nicht mehr still sein, wir fürchten uns nicht mehr“, singt die junge Frau mit metallisch verzerrtem Auto-Tune-Effekt auf Arabisch. Die Musikerin und Schauspielerin wurde laut ihrer eigenen Website 2007 als Finalistin der algerischen Talent-Show „Alhen oua Shabab“ bekannt, seitdem hat sie ein Album veröffentlicht.

Zu Beginn des Videos zu „Allo le Système“ steht Meziane in einer dunklen Unterführung, mit weißblondierten Haaren, Kapuzenpullover und Sonnenbrille. Gedreht wurde in Europa, die Künstlerin gibt selbst an, in Prag zu wohnen. Begleitet von einer simplen, bedrohlichen Melodie schaut sie sich im Musikvideo noch einmal um, als sei sie auf der Suche nach unsichtbaren Verfolgern, dann wirft sie Geld in ein schäbiges Münztelefon.

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Das Video

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Es ist kein Zufall, dass die Kamera dabei einen Augenblick auf ihrem algerischen Pass hängen bleibt, den sie zusammen mit einer Handvoll Münzen auf der Ablage platziert. Man kann ihren Auftritt als ein patriotisches Aufbegehren werten: Raja Meziane hält jetzt eine Rede an die Nation.

Schnitt, man sieht die Luftaufnahme der jüngsten Proteste in Algier. Die Rapperin legt los, ihr Text kommentiert die Bilder von Menschenmassen, „die Jungen, die Alten, die Arbeitslosen“, die gegen die sich bereichernde Regierung und leere Staatskassen demonstrieren. Das Video zeigt Menschen, die per Boot aus dem Land flüchten, Menschen in Särgen, Menschen, die es satt haben, von diesem Regime beherrscht zu werden.

Für Außenstehende ist das eine spannende Einsicht in die aktuelle Lage. Die Schuldigen am Desaster bleiben im Liedtext ungenannt, vielleicht aus Sicherheitsgründen. Doch die Worte sind klar genug: „Ihr habt die Bildung kaputtgemacht, eine ganze Generation ist verloren!“, wirft die Sängerin „dem System“ vor.

Besonders die junge Generation will gehört werden, das ist die Nachricht, die Meziane über das alte Münztelefon im übertragenen Sinne an das System richtet. Zwischen den Nachrichtenbildern der Aufstände wechselt die Aufnahme zu Meziane, die mit der Hand verzweifelt auf das Münztelefon schlägt.

„Du denkst, du seist ewig während, versteckst dich hinter Mauern, weil du Angst hast.“ Das ist eine Kampfansage. Meziane und ihre Follower, sie fürchten sich nicht, suggeriert dieser Satz. Tausendfach wurde das Video schon in den Online-Netzwerken geteilt und kommentiert. Die Musikerin solle sich als Mitglied der geplanten Konstituierenden Versammlung aufstellen lassen, schreibt ein Twitter-Nutzer, denn niemand kommuniziere so gut mit den jungen Menschen.

Die Musik wirkt jedenfalls mitreißend, der Refrain schlägt ein: „Wir wollen eine Republik, eine Demokratie des Volkes und keine Monarchie.“ Ob die Anrufung erhört wird oder verhallt, das lässt das Lied offen. Die Sängerin lässt zum Ende den Hörer fallen und verlässt den Ort, aber sie legt nicht wieder auf.

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