England gegen Montenegro: Ärger über Rassismus
Der Topspieler von Englands Nationalmannschaft, Raheem Sterling, erfährt rassistische Anfeindungen. Er fordert, die Uefa solle strenger strafen.
Das große Thema bei der Nachbesprechung waren nicht Englands zehn Treffer innerhalb weniger Tage, sondern die beklagten rassistischen Anfeindungen von den Rängen gegen die Schwarzen englischen Profis Raheem Sterling, Callum Hudson-Odoi und Danny Rose. Die betroffenen Spieler berichteten ebenso von den Beleidigungen wie Southgate. „Es war für alle klar, dass es diese Kommentare gab. Ich habe keinen Zweifel. Ich weiß, was ich gehört habe“, sagte der Trainer.
Seinen Worten zufolge müsste auch der Abgesandte der Uefa Notiz von den Beschimpfungen genommen haben. Unter anderem war von Affenlauten die Rede. Nur Montenegros Trainer Ljubisa Tumbakovic erschloss sich die Aufregung nicht. „Erstens verstehe ich nicht, warum ich mich dazu äußern sollte. Zweitens habe ich nichts gehört. Drittens musste ich mich auf das Spiel konzentrieren“, sagte er.
Als Southgate mit der Abwehrhaltung seines Kollegen konfrontiert wurde, hätte er es sich einfach machen und darauf verweisen können, dass es bei Spielen in Osteuropa immer wieder zu rassistischen Ausfällen komme. Stattdessen sprach der englische Trainer davon, dass es sich bei Rassismus um ein grundsätzliches Problem handele, das auch in der Heimat zu finden sei.
Debatte über Rassismus im Fussball
Strafen allein würden nicht reichen, um solche Vorfälle im Stadion zu verhindern, gab er zu bedenken. „Es muss sicher sein, dass junge Leute richtig erzogen werden – überall, auch in unserem Land. Wir haben das gleiche Problem. Wir sind nicht frei davon“, sagte Southgate. Dabei dachte er vermutlich an die Partie von Manchester City beim FC Chelsea im Dezember, bei der Citys Nationalstürmer Sterling von einigen Zuschauern rassistisch beleidigt worden sein soll.
Der Angreifer mit jamaikanischen Wurzeln hat danach auf ziemlich beachtliche Weise eine Debatte über Rassismus im englischen Fußball eröffnet. Unter anderem prangerte er die in den heimischen Boulevardmedien mit Vorurteilen beladene Berichterstattung über Schwarze Spieler an. Mit seiner klaren Haltung ist Sterling zu einem Vorzeigeprofi im Kampf gegen Rassismus geworden.
Auch nach der Partie in Podgorica wurde er deutlich. Er sprach davon, dass „ein paar Idioten“ eine großartige Nacht für Englands Nationalmannschaft ruiniert hätten und forderte die Uefa auf, rassistische Vorfälle künftig härter zu sanktionieren, nicht nur mit Geldstrafen, sondern auch mit Geisterspielen. In einigen wenigen Fällen, muss man festhalten, hat der europäische Fußballverband bereits diese Sanktion verhängt.
Sportlich ist der Start in die EM-Qualifikation für die Engländer ideal verlaufen. Das Team befindet sich weiter im Aufschwung. Seit dem Halbfinal-Einzug bei der WM in Russland hat sich die Mannschaft weiter verbessert. Sie hat spielerisch zugelegt und ist in der Offensive flexibler geworden. Harry Kane muss nicht mehr den Alleinunterhalter im Angriff spielen.
Botschaft an Rassisten
Der vom FC Bayern umworbene Hudson-Odoi wurde mit seiner Einwechselung gegen Tschechien mit 18 Jahren und 135 Tagen zum jüngsten Nationalspieler Englands. In Montenegro spielte er über 90 Minuten und zeigte eine herausragende Leistung, auch wenn er ohne Tor blieb. „Sein Potenzial kennt keine Grenzen“, notierte der Guardian. Auch der ebenfalls erst 18-jährige Dortmunder Jadon Sancho steht für die glänzende Perspektive der Engländer. Er spielte gegen Tschechien erstmals in einem Pflichtspiel von Beginn an.
Sterling steigt immer mehr zum Anführer der verjüngten englischen Elf auf. Gegen Tschechien war er mit drei Toren bester Mann, in Montenegro traf er zum 5:1-Endstand. Er feierte sein Tor, indem er sich die Finger an die Ohren legte. „Die beste Art, die Hater ruhigzustellen“, schrieb er dazu bei Twitter und Instagram – und konkretisierte, an wen sich die Botschaft richtete: „Ja, ich meine Rassisten.“
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