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Die Mühen der Flüchtlingsebene

Das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten bekommt 106 neue Personalstellen und setzt auf Fachleute statt auf Quereinsteiger

Warten auf eine ungewisse Zukunft: Ankunftshalle im Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten Foto: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

Von Marina Mai

Das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten LAF bekommt 106 neue Personalstellen. „Darüber bin ich sehr froh“, sagte LAF-Präsident Alexander Straßmeir am Montag in einer Pressekonferenz. „In der Vergangenheit wurde unser erhöhter Personalbedarf nicht immer bewilligt. Da hat Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) etwas Gutes gemacht.“

2015 musste die Flüchtlingsbehörde auf Bundeswehrpersonal und Ehrenamtler zurückgreifen. Mehrfach haben Mitarbeiter in Brandbriefen auf ihre Überlastung aufmerksam gemacht. Heute ist die Zahl neu einreisender Flüchtlinge deutlich zurückgegangen. In diesem Jahr gab es in Berlin pro Monat etwa 600 Neuankömmlinge. 2015 waren es pro Tag manchmal mehr. Straßmeir begründet den Personalbedarf damit, dass sein Amt nie bedarfsdeckend ausgestattet war. Analog zu Bertolt Brecht kann man sagen: Es geht um die Mühen der Ebene.

Heute geht es nicht mehr darum, schnell neue Standorte für Flüchtlingswohnheime zu finden, sondern Bewohner langfristig unterzubringen. Die Gemeinschaftsunterkünfte dienen mehr und mehr als Wohnungsersatz, denn anerkannte Asylberechtigte, die längst Arbeit haben, finden wegen des Wohnungsmangels immer schwerer Wohnungen. Sogenannte Dauerwohner seien leider keine Ausnahme mehr. Bereits heute seien 50 Prozent der Bewohner von Flüchtlingsheimen anerkannte Asylberechtigte, die eigentlich nicht das LAF unterbringen müsse, sondern die Bezirke und Jobcenter. Viele von ihnen zahlen ihre Miete selbst. Deren Zahl wird weiter steigen.

Wer heute neu nach Berlin kommt, wird zuerst in der Schmidt-Knobelsdorf-Kaserne untergebracht. Theoretisch soll das nur zwei Tage dauern, in der Praxis sind es zwei Wochen. Während dieser Zeit laufen die Registrierung und die medizinische Untersuchung. Weil es dazu nicht genug Personal gibt, gäbe es, so Straßmeir, einen „Rückstau“. Nach Ostern wird die wegen der prekären Wohnverhältnisse kritisierte Schmidt-Knobelsdorf-Kaserne durch zwei Gebäude auf einem früheren Klinikgelände in Reinickendorf ersetzt.

Gemeinschafts-unterkünfte dienen mehr und mehr als Wohnungsersatz

Nach der Registrierungsphase folgt die bundesgesetzlich vorgeschriebene Erstaufnahmephase. Während dieser Monate bekommen Flüchtlinge kaum Bargeld, sondern drei Mahlzeiten pro Tag und Kosmetikartikel. Diese Schikane macht die Erstaufnahmeheime teuer. Denn die Ausgabe von Mahlzeiten und Sanitärbedarf ist sehr personalintensiv. Weil es weniger Neuankömmlinge gibt, stehen derzeit mehrere hundert Plätze in Erstaufnahmeheimen leer. Die Zahl dieser Heime soll darum von elf auf sechs gesenkt werden.

Dahingegen wird die Zahl der Plätze in Gemeinschaftsunterkünften, in die die Flüchtlinge nach der Erstaufnahmephase ziehen, konstant bleiben oder sogar steigen. Das stellt das Land vor Herausforderungen. Denn die meisten der 2016 errichteten Containerdörfer mit einer riesigen Kapazität dürfen nur etwa drei Jahre stehen bleiben. Alexander Straßmeir sagte dazu: „Wir warten auf einen Senatsbeschluss, wann welches dieser Tempohomes zurückgebaut werden muss.“ Fest steht bereits, dass im Sommer 2019 das Containerdorf auf dem Flughafen Tempelhof leergezogen wird. „Wir halten darum freie Plätze in Gemeinschaftsunterkünften frei und werden auch zwei neue eröffnen.“

Auch bei der Suche nach Personal für das eigene Haus geht das LAF neue Wege. Aktuell sind 60 Prozent der Mitarbeiter Quereinsteiger, oft hoch motivierte. Jetzt sucht man vor allem Fachleute: Sozialarbeiter etwa, Abrechnungsspezialisten und Immobilienwirtschaftler.

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