: Einladung zum Phallusfällen
Zum Frauentag setzen sich Künstlerinnen in Hamburg mit sexualisierter Macht in der Kunst auseinander
Von Ann-Kathrin Just
Sie wollen deutlich Position beziehen, sich mit politischen Anliegen feministischer Aktivistinnen solidarisieren und mit künstlerischen Mitteln gegen die Zunahme sexualisierter Macht in Kunst und Gesellschaft Stellung beziehen. „Sexed Power“ heißt die Ausstellung im Hamburger Gängeviertel, die am Frauentag vergangene Woche eröffnet wurde.
Bereits zum zweiten Mal stellen neun Künstlerinnen aus, entstanden sei das Projekt im vergangenen Jahr als Reaktion auf „antifeministische Auseinandersetzungen in Hamburger linken Netzwerken im Winter 2017/18“, so die Ankündigung.
„Frauen sind in der Kunst weiter unterrepräsentiert, weniger als 10 Prozent der Kunst in bedeutenden Sammlungen und Museen stammt von Frauen“, sagt die Künstlerin und Initiatorin Dagmar Rauwald. Schon in der Kunstgeschichte würden im Wesentlichen nur Männer genannt, auch die aktuelle Kunst sei überwiegend männlich geprägt. „Der internationale Frauentag ist ein guter Anlass, dass sich Frauen, die für authentische und starke Kunst stehen und die gesellschaftlich relevanten Fragen dahinter in ihrer Kunst spiegeln, solidarisieren.“
„Avoid Women at All Cost“ – meidet Frauen um jeden Preis – hat Cordula Ditz auf ein goldenes Schild gedruckt, um auf die Auswirkungen der MeToo-Bewegung in den USA aufmerksam zu machen. Unter der Überschrift „Wall Street Rule for the #MeToo Era: Avoid Women at All Cost“, hatte das Nachrichtenportal Bloomberg im Dezember über den Umgang von Männern mit MeToo berichtet: Männer mieden Frauen – und machten ihnen das Leben in der Finanzwelt damit nur schwerer.
Anna Lena Grau und Julia Frankenberg haben einen Gipsabdruck eines Biberbisses genommen und diesen anschließend in Blei gießen lassen. Die von Biebern angenagten Bäume erinnerten die Künstlerinnen an Phallussymbole. Nun steht der bleierne Baumstamm mitten im Raum und lädt zum Naschen ein, denn er wurde mit Kuchen verklebt – eine Einladung, gemeinsam den Phallus zu Fall zu bringen.
Aktivismus und Kunst sollen ausdrücklich zusammenfallen. Bezug nimmt „Sexed Power“ etwa auf die Aktionen der feministischen New Yorker Künstlerinnengruppe Guerrilla Girls, die seit 1985 mit Plakaten, Stickern und bösem Witz in öffentlichen Kampagnen auf die Unterrepräsentation von Frauen und „Artists of Colour“ in der Kunstwelt hinweisen. Vergangenes Jahr waren zwei ihrer Plakate in der Ausstellung zu sehen.
Auch diesmal knüpft die Ausstellung ausdrücklich an die historische Verknüpfung von Kunst und Feminismus an: Zu sehen ist das sechsminütige Video von Marta Roslers feministischer Parodie „Semiotics of the Kitchen“ von 1975. Darin entdeckt Rosler als Moderatorin einer Kochshow für bekannte Küchenutensilien lauter unproduktive oder zerstörerische Verwendungen.
Im nächsten Jahr soll es wieder eine Ausstellung geben. „Ich hoffe, dass sich ein fortlaufendes Projekt entwickelt“, sagt Dagmar Rauwald.
Bis Sa, 16. 3., Fabrique im Gängeviertel, Hamburg. Führung mit Künstlerinnen: Sa, 17 Uhr
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen