piwik no script img

Kommentar Chemnitzer FC betrauert NaziWohlfühlzone für Rassisten

Andreas Rüttenauer
Kommentar von Andreas Rüttenauer

Der Chemnitzer FC trauerte in seinem Stadion um den Neonazi Tommy Haller. Der sächsische Klub hat sich Nazis ausgeliefert.

Mit einer Würdigung auf der Videowand trauerte der FC um den verstorbenen Neonazi Tommy Haller Foto: imago/HärtelPRESS

D er Chemnitzer FC wird von einem Insolvenzverwalter geführt. Im April 2018 hatte sich der damalige Drittligist für zahlungsunfähig erklärt. Die Regeln in einem derartigen Fall sind erprobt. Ein Insolvenzverfahren wird eingeleitet und die zuständigen Fußballverbände sprechen Sanktionen aus. Ein moralisches Insolvenz­verfahren gibt es nicht. Der Fall des Chemnitzer FC, der Huldigungen für einen Mann, der sich selbst als Hooligan, Nazi und Rassist bezeichnet hat, im Stadion zugelassen hat, zeigt, dass ein solches dringend vonnöten wäre. Der sächsische Klub hat sich Nazis ausgeliefert.

Schon lange schlittert er an der moralischen Bankrotterklärung entlang, hat sich nie wirklich glaubhaft von Fans distanzieren wollen, die keinen Hehl aus ihrer menschenverachtenden Weltsicht gemacht haben. Jetzt kann es keinen Zweifel mehr geben, dass der Chemnitzer FC den Maßstäben von Fairplay, Respekt und Toleranz, die sich der Deutsche Fußball-Bund selbst gegeben hat, nicht genügt.

Doch es gibt kein erprobtes Verfahren für derartige Extremfälle. Es gibt keine moralischen Insolvenzverwalter, die einen Klub übernehmen würden, keine Eingreiftruppe des Deutschen Fußball-Bundes, die dafür sorgt, dass aus der Wohlfühlzone für Nazis eine No-go-Area wird. Es gibt nicht viel mehr als ein paar nette Heile-Welt-Videos für Integration. Ein Beraterteam aus Experten, das einen Verein wieder auf den rechten Weg bringen könnte, gibt es ebenso wenig wie die wirklich klare Ansage, dass mit Punktabzügen und Zwangsabstieg rechnen muss, wer seinen Klub zum Abenteuerspielplatz von Nazischlägern macht.

Wundern wird das niemanden bei diesem DFB. Dessen Präsident Reinhard Grindel spielt lieber mit rassistischen Ressentiments der Anhängerschaft, als einen verdienten Nationalspieler wie Mesut Özil vor Anfeindungen in Schutz zu nehmen. Und er twittert lieber Belangloses über den Abschied von abgetakelten Nationalspielern, als sich etwa umgehend auf dem Weg nach Chemnitz zu machen, um Gesicht zu zeigen gegen rechts. Kein großes Ding eigentlich – und doch unvorstellbar.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Andreas Rüttenauer
Sport, dies und das
Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
  • Hallo, das betrifft ja nicht nur Chemnitz sondern auch Energie Cottbus, die haben den Nazi-Hool entsprechend im Stadion 'betrauert'. Die Vereinsführungen tauchen ab, denn sie wagen es nicht, gegen die organisierten Hools vorzugehen.

  • Sorry, das muss jetzt noch mal sein, das Asterix - Heft bon-mot zum Nederknien und so trefflich - traurig zum Thema



    Auch noch bei den Goten!!



    www.comedix.de/lex...h_bin_ihr_chef.php

  • Millionen Deutsche wählen wie 1933 bereits wieder Hass -und Hetzer Parteien. Sie sorgen für den nächsten großen Krieg.



    Für Nazis gilt: no pasaran!

  • Grindel mag als Mensch ein Unsympath sein. Aber Özil hat sich selbst ins Abseits geschossen. Zwei überbezahlte Flachzangen aus dem Fußball-Business, die beide von sich glauben, über den Dingen zu stehen. Ich wünsche mit, dass durch die Vorkommnisse in Chemnitz die Vereine den Rechtsextremen mal endlich die rote Karte zeigen und diese Typen nicht als loyale Anhänger verklären. Allein, ich glaub nicht dran.

  • Wieso wird hier Thomas Haller freundschaftlich "Thommy" genannt ?

    • @Margit Englert:

      Frug ich mich auch!

  • Kommentar entfernt. Bitte halten Sie sich an die Netiquette.

    Die Moderation

  • 8G
    83191 (Profil gelöscht)

    Man könnte natürlich Finanzierung und Co des Vereins beenden und diesen damit praktisch auflösen..

    Aber am Ende wären das ja Konsequenzen ;-)

  • Fußballclubs und deren Hools als FairPLay Hochburg?



    Hooligans als Vertreter von Toleranz ud Respekt?



    Nazis fühlen sich wohl in der Drittklassigkeit, weil es zu mehr nicht reicht?



    Und Fußballer, also die die das Spiel dann spielen als Leuchtturm der Intelligenz und Weitsicht?



    Neue Erkenntnisse sind das natürlich keine.

    Man könnte natürlich mal nachdenken, wie das Gehabe der Spieler, das Reklamieren von Fouls, das Gezeter mit dem Jiri, das lächerliche Schauspiel bei Fouls und schmerzverzerrten Gesichtern...usw. Einfluss auf das strunzdumme Verhalten und meist grob unsportliche und Partei ergreifendes Verhalten der Zuschauer hat was das Zusammenrotten, die Anfälligkeit gar für derlei Nazihorden hat.



    Wäre der Sport, wäre das Verhalten der Sportler korrekt, dann gäbs auch eine andere Qualität bei den Zuschauern.

  • Der sächsische Klub hat sich Nazis ausgeliefert, weil er sich nie wirklich glaubhaft von Fans distanziert hat, die keinen Hehl aus ihrer menschenverachtenden Weltsicht machten. Aber wie soll das auch gehen? Wer wäre denn dann noch auf den Tribünen bei den Chemnitzern? Und welcher Fußballer spielt schon vor leeren Tribünen? Freilich ist es einfach zu fordern: Distanziert auch mal! Aber was dann?



    Meiner Meinung nach hat sich nicht nur der sächsische Klub sich Nazis ausgeliefert. Es ist inzwischen eine breite Mehrheit in Sachsen, die diesen Rattenfängern und dieser rechtsradikalen AfD hinter her trottelt. Bald sind Wahlen in Sachsen, am Ergebnis wird jeder Bundesbürger ohne Zweifel ablesen können, Sachsen ist verloren.