Tarifverhandlungen öffentlicher Dienst: Aller guten Verhandlungen sind drei
Erst wurde gestreikt, jetzt wird verhandelt: Das sind die wichtigsten Entwicklungen zum Tarifstreit des öffentlichen Dienstes.
Was wird konkret gefordert?
Angestellte des öffentlichen Dienstes verdienen zu wenig Geld und müssten für das, was sie leisten, deutlich besser entlohnt werden. So sehen es die Gewerkschaften. Sie fordern im Tarifkonflikt im öffentlichen Dienst eine Einkommensverbesserung für Landesbeschäftigte von 6 Prozent, mindestens aber eine Erhöhung der Entgelte um 200 Euro. Zudem sehen die Forderungen eine strukturelle Verbesserung in der Eingruppierung der Entgeltgruppen vor, die die Lohngruppe der Beschäftigten nach Tätigkeit regeln. Für Auszubildende wollen die Gewerkschaften eine Erhöhung der Vergütungen um 100 Euro und die Übernahme nach der Ausbildung erreichen.
Wer hätte was davon?
Betroffen von den Tarifänderungen wären laut Angaben von Verdi 3,3 Millionen Personen – denn neben den 1 Millionen Tarifbeschäftigten soll das Ergebnis der Verhandlungen auch auf die 2,3 Millionen BeamtInnen und VersorgungsempfängerInnen der Länder übertragen werden. Einzige Ausnahme ist Hessen, dort werden eigene Tarifverhandlungen geführt.
Wer beteiligte sich an den Streiks?
Am Dienstag und Mittwoch legten in Berlin Zehntausende Lehrer- und ErzieherInnen ihre Arbeit nieder und zogen mit Trillerpfeifen und Plakaten durch die Straßen der Hauptstadt. „Gute Bildung kostet Geld“, lautete eines der Mottos auf den Kundgebungen. Mehr als die Hälfte der städtischen Kitas und viele Schulen blieben an beiden Tagen komplett geschlossen, weit mehr als 20.000 Unterrichtsstunden fielen ersatzlos aus. „Uns ist bewusst, dass die Streiks in dieser Woche für die Eltern und ihre Kinder eine Belastung darstellen“, sagte die Vorsitzende der GEW Berlin, Doreen Siebernik. „Wir streiken aber auch für den Nachwuchs in dieser Stadt.“ Insgesamt beteiligten sich an den Kundgebungen auch Angestellte von Hochschulen, Jugendämtern und anderen öffentlichen Behörden.
Gestreikt wurde auch in anderen Ländern: In Bayern etwa demonstrierten laut dpa-Angaben rund 7.000 Beschäftigte für mehr Geld. „Pflegemangel – scheißt nicht drauf“, hatte in München ein Streikender auf eine Klobrille geschrieben, die er um den Hals trug. In Nordrhein-Westfalen legten Zehntausende Beschäftigte aus Unikliniken, Behörden, Universitäten und Hochschulen ihre Arbeit nieder. Auch in Mecklenburg-Vorpommern, Baden-Württemberg, Hessen und Niedersachsen kam es zu Arbeitsniederlegungen. Die Beteiligten hoffen, durch die Streiks genügend Druck auf die Arbeitgeber für die Tarifverhandlungen erzeugt zu haben.
Worum geht es jetzt in den Verhandlungen?
Am Donnerstag starten die Gewerkschaften und die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) in Potsdam in die dritte und womöglich entscheidende Verhandlungsrunde. Zwischen 28. Februar und 2. März wollen beide Seiten eine Einigung erzielen. Matthias Kollatz (SPD) als Verhandlungsführer der TdL zeigt sich gegenüber der taz optimistisch: „Wenn sich beide Seiten aufeinander zubewegen, kann das auch gelingen.“ Allerdings gab es bisher von dem ArbeitgeberInnen noch kein Angebot. Stattdessen kritisieren sie die Forderungen der Gewerkschaften als überhöht und nicht finanzierbar.
Diese Auffassung wird von den Gewerkschaften zurückgewiesen: „Die Länderbeschäftigten stehen mit 4,4 Prozent im Rückstand zu den Beschäftigten in der Gesamtwirtschaft“, sagte Verdi-Pressesprecherin Daniela Milutin der taz. Gerade um dem Fachkräftemangel in Bereichen wie IT oder Pflege- und Erziehungsberufe etwas entgegenzusetzen, müssten deshalb Lohnverbesserungen her.
Und was passiert ohne Einigung?
Sollte es in den Gesprächen erneut zu keiner Einigung kommen, drohten die Gewerkschaften bereits weitere Streiks an. Der Verdi-Vorsitzende Frank Bsirske betonte bei einer Kundgebung in Düsseldorf: „Wir erwarten, dass die Arbeitgeber in der dritten Runde endlich ein verhandlungsfähiges Angebot vorlegen.“ Bei einer weiteren Blockadehaltung der Arbeitgeber sei eine Eskalation der Streiks nicht auszuschließen, so Bsirske.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja