Stefan Alberti über die Bilanz der CDU zur Halbzeit von Rot-Rot-Grün: Völlig verzettelt
Er ist nicht wirklich zu beneiden an diesem Freitagsvormittag im Abgeordnetenhaus. Da sitzt CDU-Fraktionschef Burkard Dregger vor knapp einem halben Dutzend Journalisten und will ihnen verklickern, dass es beim rot-rot-grünen Senat einfach nicht läuft. Dabei hat er gerade selbst ein Durchsetzungsproblem.
„Halbzeit bei Rot-Rot-Grün: Verzettelt statt gut regiert“, war die Einladung zu dem Gespräch überschrieben. Und das ist offenbar wörtlich gemeint: Während Dregger referiert, läuft auf zwei Bildschirmen ein Film mit einer über und über mit gelben Zetteln beklebten Figur, die aussieht wie Michael Müller und offensichtlich einen sich verzettelnden Regierungschef darstellen soll.
Dreggers Botschaft zusammengefasst: Es läuft zu wenig bis gar nichts zusammen in den zentralen Politikfeldern Wohnungsbau, Verkehr und Sicherheit. Und da, wo sich was tut, geschieht es aus seiner Sicht auf Initiative der CDU. Was beim Thema Lehrerverbeamtung ja durchaus stimmt: Die CDU-Fraktion hat über Jahre gefordert, Lehrer wieder zu verbeamten, was nun in der Not auch die SPD anzustreben scheint.
Dreggers Problem: Er selbst konnte sich in einem zentralen Punkt in seiner eigenen Fraktion nicht durchsetzen. Die verständigte sich vergangene Woche auf einen Untersuchungsausschuss in der Causa Knabe und Hohenschönhausen. Dregger aber hatte bis kurz zuvor darauf gepocht, dass ein solcher Ausschuss überflüssig sei, würde er doch zwangsläufig auch die Berliner CDU-Chefin Monika Grütters beschädigen, die an der Knabe-Entlassung beteiligt war. Er ist also nicht wirklich in der Position, Müller mal eben locker die fehlende Durchsetzungskraft vorzuwerfen.
Im Film mit der gelben Zettel-Figur taucht die Rechnung „1 + 1 = 3“ auf – was wohl zeigen soll, wie die CDU die Bildungsqualität in Berlins Schulen einschätzt. Dreggers CDU-Zustandsbeschreibung mutet mindestens ebenso wenig stimmig an. Wobei man zu seiner Entlastung sagen kann: Dass eine Fraktion eine Untersuchung gegen die eigene Parteichefin anstrebt, das hätten wahrscheinlich viele nicht auf dem Zettel gehabt.
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