piwik no script img

In der Türkei inhaftierter DeutscherAdil Demirci kommt unter Auflage frei

Nach zehn Monaten in Haft ordnet ein Istanbuler Gericht an, dass der Kölner Sozialarbeiter Adil Demirci entlassen wird. Er darf Istanbul jedoch nicht verlassen.

Demonstration für Adil Demirci im Juni in Köln Foto: dpa

Ein Istanbuler Strafgericht hat am Donnerstag angeordnet, den Kölner Sozialarbeiter und Journalisten Adil Demirci unter Sicherheitsauflagen aus der Untersuchungshaft zu entlassen. Er darf jedoch für die Dauer des Prozesses die Provinz Istanbul nicht verlassen und nicht nach Deutschland ausreisen. Demirci, der die deutsche und die türkische Staatsbürgerschaft hat, war am 13. April 2018 in Istanbul festgenommen worden und saß seitdem im Hochsicherheitsgefängnis von Silivri, 80 Kilometer von Istanbul entfernt.

Dem 33-Jährigen, der wie Meşale Tolu als freier Journalist für die türkische sozialistische Nachrichtenagentur ETHA arbeitete, wird Mitgliedschaft in einer Terrororganisation vorgeworfen. Die Staatsanwaltschaft legt ihm zur Last, zwischen 2013 und 2015 an Trauerfeiern von Mitgliedern der YPG und der marxistisch-leninistischen MLKP teilgenommen zu haben, die gegen den IS gekämpft hatten.

An der zweiten Verhandlung des Prozesses gegen Demirci und 22 weitere Angeklagte nahm neben Angehörigen und Journalist*innen auch eine deutsche Delegation teil. Neben dem deutschen Generalkonsul Michael Reiffenstuel kamen der Kölner SPD-Abgeordnete Rolf Mützenich, der Kölner Linken-Stadtrat Jörg Detjen und der Investigativjournalist Günter Wallraff als Prozessbeobachter in den Istanbuler Justizpalast Çağlayan. Der Vorsitzende Richter reagierte gereizt auf den Dolmetscher der deutschen Delegation: „Sind die wieder gekommen? Das gefällt mir überhaupt nicht“, sagte er und forderte den Dolmetscher auf, nicht weiter zu übersetzen.

Die Familie ist erleichtert

Adil Demirci wirkte im Gerichtssaal gelassen. Während der Verhandlung drehte er sich um und winkte den Besucher*innen lächelnd zu. In seiner Verteidigungsrede forderte Demirci, freigelassen zu werden. „Mir wird zur Last gelegt, dass ich an Gedenkveranstaltungen teilgenommen habe. Das stimmt, ich habe an den Gedenkveranstaltungen teilgenommen, aber als Journalist“, sagte er. „Als ich festgenommen wurde, war ich nur für eine Woche zu Besuch in der Türkei.“

Demircis Anwalt Mustafa Peköz forderte, dass sein Mandant aus der Untersuchungshaft entlassen wird und sprach sich gegen die Verhängung einer Ausreisesperre aus, da diese für seinen Mandanten eine doppelte Belastung darstelle. Wenn er die Türkei nicht verlassen könne, bestehe das Risiko, dass er seine Arbeit verliere und seine krebskranke Mutter nicht mehr sehen könne.

Nach dem Urteil des Gerichts, in dem neben Demirci die Freilassung eines weiteren Angeklagten angeordnet wird, kündigte der Anwalt an, Widerspruch gegen die Sicherheitsauflagen einzulegen. „Wir waren von Anfang an davon überzeugt, dass gegen meinen Mandanten nichts Belastendes vorliegt, das rechtfertigt, ihn zu inhaftieren. Nun wurde er endlich aus der Untersuchungshaft entlassen, aber er hätte schon bei der ersten Verhandlung freigelassen werden müssen“, sagte er. Der Prozess wurde auf den 30. April vertagt.

Adils Bruder Tamer Demirci äußerte sich am Telefon erleichtert über die Freilassung seines Bruders. „Wir waren zuversichtlich, dass es diesmal klappt. Klar wussten wir, dass er nicht ausreisen können wird, aber es war wichtig für meinen Bruder, dass er aus dem Gefängnis entlassen wird“, sagte er. „Auch wenn er weiter in einem Freiluftgefängnis bleiben muss, können wir ihn nun besuchen.“ Gemeinsam mit dem Solidaritätskreis „Freiheit für Adil Demirci“ will er die wöchentliche Mahnwache am Kölner Wallrafplatz fortführen, um weiter Druck auszuüben. „Diesmal für seine Ausreise“, sagte er.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!