piwik no script img

Die WahrheitVergessen von allen!

Anke Richter
Kolumne
von Anke Richter

Neues aus Neuseeland: Es ist das große Trauma des Zwei-Insel-Staates – das Land down under erscheint nicht auf allen Weltkarten.

D ass wir in der Weltgeschichte kaum eine Rolle spielen – bis auf die Erstbesteigung des Mount Everests, die Ersteinführung des Frauenwahlrechts und die Verfilmung der Hobbit-Saga – ist Schicksal. Bescheiden, wie wir Kiwis sind, machen wir kein großes Aufheben um uns. Dafür feiern wir lieber umso doller jeden von uns ab, der es irgendwo in der weiten Welt zu was bringt. Dass wir aber von den Landkarten dieser Erde verschwinden, ist ein Skandal. So nicht, Ikea!

Noch ist es kein Fall für einen internationalen Gerichtshof, aber dennoch ein dunkler Fleck auf der neuseeländischen Volksseele – ein sensibles Thema, das man besser genauso wenig erwähnt wie Sex mit Schafen: Unser kleines, feines Zwei-Insel-Paradies wird regelmäßig auf gedruckten Weltkarten vergessen. Das fängt mit dem Brettspiel „Risiko“ an und hört mit dem weltweiten „Happy Nutella Day“ auf. Selbst auf den Flughäfen von Beijing, München und Prag wird Neuseeland optisch nicht angezeigt.

Schluss mit der Schande! Seit letztem Jahr hat unsere Regierung die mutige Kampagne #getNZonthemap gestartet. Die Premierministerin Jacinda Ardern persönlich und der Schauspieler Rhys Darby, allen „Flight of the Conchords“-Fans bekannt, witzeln in Videos um die Wette, ob es eine große globale Verschwörung gegen die optische Wiedergabe unserer geografischen Verortung gibt. Australien wird schuld sein. „Die stehlen unsere Touristen!“, empört sich Darby.

Zumindest gibt es einen großen internationalen Konzern, der an dem peinlichen Missstand mitschuldig ist: Ikea. Ausgerechnet das lang und heiß von uns herbeigesehnte Möbelhaus, das bald erstmals eine Filiale in Neuseeland eröffnen will, hat genau dieses Fleckchen Erde auf seiner „Björksta“-Landkarte (89 Euro, zur Zeit ermäßigt) vergessen. Nachdem eine von 40.000 Leuten besuchte Reddit-Gruppe den Fehltritt oder Fehldruck enthüllte, gab es wenigstens eine offizielle Entschuldigung aus Schweden.

Sogar die BBC aus dem fernen London berichtete. Und wer sprang uns kürzlich in dem Karten-Gau zur Seite? Niemand geringeres als John Oliver. Neuseeland – oder „Australiens eingebildeter Freund“, wie er uns gern nennt – rangiert bei dem amerikanischen Fernsehkomiker auf der Humorskala seit vier Jahren ganz weit oben. Er hat sich bereits über Dildowürfe gegen einen Politiker, über die Pferdeschwanzgrabscherei unseres früheren Premierministers und die abstruse Flaggendebatte amüsiert.

Doch statt Spott bot John Oliver diesmal praktische Hilfe: Eine Neuseelandkarte zum Ausdrucken, Abziehen und Aufkleben, die man überall draufpappen kann, wo sie fehlt – aber auch woanders, zum Beispiel neben Florida oder auf die Anatomieschaubilder in der Schule. Am besten, so unser erfindungsreicher Ehrenretter, klebt man sie jedoch in allen Ikea-Läden auf deren hauseigene Lagepläne. In den Möbelhallen verirrt sich ja eh jeder. Da merken die mal, wie sich das anfühlt.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Anke Richter
Anke Richter ist Wahrheit-Kolumnistin, Buch-Autorin und Mitglied von Weltreporter.net in Neuseeland. Zuletzt erschien von ihr die Auswanderersatire "Was scheren mich die Schafe. Unter Neuseeländern - Eine Verwandlung" (Kiepenheuer & Witsch).
Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!