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Kommentar DigitalpaktAm Ende verlieren die Schüler

Anna Lehmann
Kommentar von Anna Lehmann

Der Streit um den digitalen Ausbau der Schulen ist ideologisch aufgeladen und wird von Kampfbegriffen wie Kooperationsverbot geprägt.

Komplizierte Formel: der Digitalpakt für deutsche Schulen Foto: Unsplash/ Roman Mager

D er Vermittlungsausschuss hat sich am Mittwochabend vertagt, SchülerInnen und LehrerInnen müssen also weiter auf schnelles WLAN, intelligente Lernplattformen und neue Laptops warten. Der längst ausverhandelte und in den Haushalt eingepreiste Digitalpakt liegt auf Eis, weil sich Bund und Länder nicht auf die passende Formulierung im Grundgesetz einigen können, um auch rechtlich auf der sicheren Seite zu sein. Das klingt gaga, war aber erwartbar.

Die Diskussion um den Digitalpakt und die zugrunde liegende Grundgesetzänderung ist ideologisch aufgeladen. Die einen, vor allem die südlichen Bundesländer, sprechen von „Einheitsschule“, die anderen, heißt vor allem Bundespolitiker von SPD, Grünen und FDP, von „Kooperationsverbot“. Derzeit prägen also Kampfbegriffe die Debatte, nicht sachliche Argumente. Die Situation ist festgefahren.

Im Grundgesetz ist kein „Kooperationsverbot“ verzeichnet. Wohl aber werden einer Einflussnahme des Bundes in die Bildungshoheit der Länder sehr enge Grenzen gesetzt.

Dieser Spielraum soll erweitert werden, Bund und Länder sollen künftig enger kooperieren, aktuell beim digitalen Lernen, perspektivisch auch beim weiteren Ausbau von Ganztagsschulen. Deshalb gleich von einem „Bundesschulamt“ und einer drohenden „Einheitsschule“ zu sprechen, wie zuletzt der bayerische Ministerpräsident Markus Söder, ist populistisch.

Gemeinsame Länderfront

Überzeugte Föderalisten wie Söder und der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann haben es aber geschafft auch Länder auf ihre Seite zu ziehen, die nichts dagegen haben, dass der Bund sich stärker im Bildungsbereich engagiert. Denn als der Bundestag Ende November die Grundgesetzänderung diskutierte und verabschiedete, hatten die Haushaltspolitiker in letzter Minute ins Gesetz hineinverhandelt, dass die Länder Finanzhilfen des Bundes künftig „in jeweils mindestens gleicher Höhe durch Landesmittel für den entsprechenden Investitionsbereich“ ergänzen sollen.

Aus Sicht der Haushälter sinnvoll – die Länder sollen das Bundesgeld schließlich nicht nutzen, um im Gegenzug zu sparen –, aus Sicht klammer Länder fatal. Insofern schafften es Kretschmann und Co. eine gemeinsame Länderfront gegen die gesamte Grundgesetzänderung aufzubauen. Obwohl der Digitalpakt von der fifty-fifty-Regelung gar nicht betroffen wäre.

Die Lage ist vertrackt und lässt sich nicht in einer nächtlichen Sitzung entspannen. Das jetzt eine Arbeitsgruppe ran soll, ist vernünftig. Vielleicht wird so doch noch zeitnah eine pragmatische Lösung gefunden.

Vernünftig wäre es nämlich, wenn Bund und Länder künftig nicht nur zusammenarbeiteten, wenn es um Computer geht, sondern auch beim gemeinsamen Lernen behinderter und nicht behinderter Schüler. Auch bei der Inklusion liegt Deutschland noch weit hinter anderen Ländern zurück.

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Anna Lehmann
Leiterin Parlamentsbüro
Schwerpunkte SPD und Kanzleramt sowie Innenpolitik und Bildung. Leitete bis Februar 2022 gemeinschaftlich das Inlandsressort der taz und kümmerte sich um die Linkspartei. "Zur Elite bitte hier entlang: Kaderschmieden und Eliteschulen von heute" erschien 2016.
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6 Kommentare

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  • 9G
    97088 (Profil gelöscht)

    Ein schlapper Kommentar! Die Kinder haben bereits verloren. Mehrmals, denn die „Digitalisierung“ der Schulen ist seit mindentens drei Legislaturperioden Regierungsthema ohne Ergebnis - so wie schnelles Internet oder Breitbandausbau, etc.



    Die wollen nicht! Bildung ist nicht wichtig, Wissen ist Privatsache und Karrieren werden heute - Gott sei Dank - wieder über Herkunft entschieden.



    Wo bleibt die kühle Bewertung und die anschließende links-kritische TAZ-Sicht, Frau Lehmann?

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ..."Am Ende verlieren die Schüler", so wird's kommen. Aber das war ja klar, Entwicklungsland Deutschland. Die meisten Politiker habe ja noch nicht einmal verstanden, dass z.B. schnelles Internet zur Infrastruktur gehört. Digitaler Ausbau an Schulen? Bereits 2006 wurden in den USA Prüfungen am Computer geschrieben.

    • @81331 (Profil gelöscht):

      "Bereits 2006 wurden in den USA Prüfungen am Computer geschrieben."



      Und was ist 13 Jahre später die Moral von der Geschicht'? Trump ist Präsident, die Bildung privatisiert und die Eliten freuen sich über die wachsende Zahl die Unterkomplexen!

      • @Drabiniok Dieter:

        ...die wachsende Zahl DER Unterkomplexen!

  • Denken Unerwünscht!



    Logiktrainierte Menschen erschweren die konditionierung.



    Verdummung fördert die Manipulatierung.



    Mehr brauchts nicht.

  • Es ist immer das gleiche Spiel: Über einen interessengeleiteten Streit, um die bereitgestellten Milliarden, und dem politischen Streit, um die föderale Struktur der Landes, wird der Blick auf das "Für was?" und Für Wen?" verstellt.

    Wem soll die Digitalisierung der Bildung nützen? An den natürlichen Begabungen der SchülerInnen ändert sie nichts. Für die Entwicklung und Förderung dieser Begabungen ist gute Pädagogik und Didaktik entscheidend, nicht das Medium (Tafel, Buch, Arbeitsheft oder ein Tablett) mit dem gearbeitet wird.

    Es fehlt an gut ausgebildeten PädagogInnen! Nicht an Quereinsteigern und zusätzlichen Computern und Programmen der Schulbuchverlage, die die gleichen Formeln, die gleiche Grammatik, die gleichen historischen Daten und Namen, die gleichen Kontinente, Naturgesetze und biologische Zusammenhänge enthalten.

    Kinder die schon in der Schule auf Monitore schauen müssen? Obwohl sie doch dort insbesondere das soziale Miteinander in einer Gruppe/Gesellschaft erlernen sollen. Muss nur noch mit "Gefällt mir" benotet werden, dann wäre die Sache komplett und man könnte die "Benotung" durch die Zahl der likes vornehmen.

    Es geht bei der Digitalisierung nicht um die Kinder! Mit Ausnahme, dass sie dadurch besser auf ihre künftige ökonomische Verwertung vorbereitet werden; in der Industrie 4.0. So wie schon der Computer nicht den Verbrauch von Papier in den Büros vermindert hat, so wie schon das Internet nicht die Zahl der Despoten reduziert hat, durch den "freien" Zugang zum globalen Wissen. Und auch die Flugreisen zu Meetings sind nicht zurückgegangen, trotz Skype&Co.

    Es ist nur ein weiteres Geschäftsfeld für Verlage und das drumherum, für Softwareentwicklung, Wartung, Sicherheit, Cloudverwalter, Serverparks... Lehrkräfte müssen sich in Lehrprogrammen weiterbilden, die Arbeitsweise mit ihnen vermitteln... Zeit die für die Bildung der Kinder fehlen wird!