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Kolumne Blind mit KindDas Geduldsspiel als Dorn im Fuß

Puzzlen trainiert die Feinmotorik, das Vorstellungsvermögen und Problemlösungsdenken. Schön für Sehende – für Blinde eher nicht.

Dieses Puzzle mag auch für Blinde noch gut machbar sein – andere sind schon schwieriger Foto: unsplash/Jelleke Vanooteghem

B eim ersten Schritt ins Kinderzimmer rutsche ich auf Puzzleteilen aus. Als Spiel- und Beschäftigungsmöglichkeit stehen Puzzle hoch in meiner Gunst – sie trainieren gleichermaßen Feinmotorik, Vorstellungsvermögen und Kurzzeitgedächtnis, regen das Problemlösungsdenken und, und, und. Verstreut auf dem Boden sind sie mir trotzdem ein Dorn im Fuß. „Bitte zusammenlegen und wegpacken!“, sage ich. „Kann ich nicht, zu schwer!“, protestiert meine Tochter. Und dann kommt, was kommen muss: „Mama, du musst helfen!“

Puzzles sind per Definition „mechanische Geduldsspiele“ – das trifft für Blinde ganz besonders zu. Mein heutiger Gegner ist die Raupe Nimmersatt, die in vier Schichten ihre Entwicklung vom Ei im Mondschein bis hin zum wunderschönen Schmetterling vollzieht.

Für mich sind es einfach nur Holzteile verschiedenster Formen, die man so lange drehen, wenden und kombinieren muss, bis sie alle zusammen wieder in ihren Holzrahmen passen – in diesem Fall besonders tricky, weil man nur anhand der Teilgröße und der unterschiedlich geschwungenen Ränder ahnen kann, welches Teil auf welche Ebene gehört. Gut, dass der Sonntag verregnet ist und der Terminplan leer.

Drei Minuten puzzlen wir gemeinsam. Dann hat meine Tochter keine Lust mehr. Meine exklusive Möglichkeit, empirisch zu überprüfen, ob Puzzlen tatsächlich auch gut für Durchhaltevermögen und Frustrationstoleranz ist.

Pferdehufe auf Baumkronen

Der Beginn unserer Puzzle-Karriere war harmlos: wenige Teile, gut tastbare Formen in Holzrahmen. Hier acht Dschungeltiere, da eine fünfteilige Lok. Ich konnte helfen! Schön bebilderte Papp-Exemplare, deren Teile alle ähnlich sind, stellen eine ganz andere Herausforderung dar, zumal sie sich schnell abnutzen und dann gar nicht mehr gut fühlbar sind.

Dann fügt Mama schon mal Pferdehufe an die Baumkrone. Und das ist auf jeden Fall einen Lacher wert! Beim rahmenlosen Riesen-Tier-Puzzle bin ich für das Vorsortieren zuständig: Eselteile auf den einen, Schweinchenteile auf den nächsten Haufen. Ich sortiere, sie setzt zusammen. Wie das geht? Dank Farberkennungsgerät!

Meine Tochter ist eine gute Puzzlerin und jetzt schon sehr stolz darauf, dass sie das besser kann als ich. Bald schon wird ihr dieser Triumph angesichts der ungleichen Grundvoraussetzungen zwar nichts mehr wert sein, aber dafür wird sie mich sicher auch nicht mehr als Unterstützung brauchen. Wieder ein „Problem“, das sich in Wohlgefallen auflöst.

Im Angesicht der Raupe Nimmersatt hilft mir diese Aussicht noch wenig. Dass Puzzlen auch Glückshormone im Körper freisetzt, kann ich nicht bestätigen. In einen kreativen und meditativen Zustand versetzt es aber schon, und wenn es dann wirklich noch das Risiko auf Demenz und Alzheimer reduziert …! Auf jeden Fall bin ich am Ende mindestens genauso stolz auf meinen Erfolg wie all die vierjährigen Kinder, für die das Puzzle konzipiert ist.

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