: Bienen kann man wirklich streicheln
HONIG Die Stadtimkerin Annette Mueller steigt demnächst der taz auf den Berliner Dachgarten: Sie will dort zwei Bienenvölker ansiedeln. Und als Nächstes plant sie die Gründung einer Genossenschaft
■ Bienen: Weltweit wird die Zahl der Bienenarten auf rund 20.000 geschätzt. Davon sind in Europa etwa 700 Arten heimisch, 500 davon in Deutschland. In Berlin leben 3.000 Bienenvölker, sie werden von 500 Imkern betreut.
■ Honig: Honig besteht aus etwa 200 verschiedenen Inhaltsstoffen. Die mengenmäßig wichtigsten Inhaltsstoffe sind Fruchtzucker (27 bis 44 Prozent), Traubenzucker (22 bis 41 Prozent) und Wasser (ca. 18 Prozent).
■ Kontakt: Berliner Bärengold GmbH, www.berlinerhonig.de, Tel. (030) 50 34 44 44
VON ALEM GRABOVAC
Annette Mueller, 35 Jahre alt, steht mit Schutzschleier und einer Rauchmaschine zwischen ihren summenden Bienen. Der Bienenstock liegt etwas versteckt im hinteren Außenbereich eines Berliner Kindergartens. „Nein“, sagt Annette Müller, „die Kinder brauchen keine Angst vor den Bienen zu haben. Bislang wurde noch kein einziges Kind gestochen.“
Die Wespen seien das Problem, erzählt sie weiter. Die Bienen interessieren sich weder für Frühstücksmarmeladen noch für Menschen. Die Bienen seien eigentlich immer nur am Arbeiten: „Täglich“, sagt sie, „bestäubt eine Biene bis zu 1.000 Blüten. Für ein kleines Glas Honig müssen sie 300.000 Blüten anfliegen und 16.800 Kilometer zurücklegen.“
Annette Mueller ist Großstadtimkerin und Unternehmerin. Vor zwei Jahren hat sie die Berliner Bärengold GmbH gegründet. Ungefähr 30 Imker aus Berlin und Brandenburg vertreiben ihren Honig über das Unternehmen. „Unser Ziel war und ist es, wieder mehr Bienen nach Berlin zu bringen. Lokale Produkte belasten die Umwelt nicht durch lange Transportwege und sind zudem auch noch frischer und schmackhafter als die meisten ausländischen Honigerzeugnisse.“
Inzwischen sind wir vom Bienenstock im Kindergarten zur nahe gelegenen Produktions- und Geschäftsstelle am Platz der Vereinten Nationen gelaufen. Hierher wird der Honig von den Imkern in Fässern geliefert und in kleine etikettierte Gläser abgefüllt. Der Honig wird dann über das Internet, auf Märkten oder in Feinkostläden verkauft. Zu den prominentesten Kunden gehören das Hotel Adlon und das Bundespräsidialamt.
Wenn es um die Biene geht, redet Annette Mueller ohne Punkt und Komma: Die Imker in der Stadt, erzählt sie, müssen ihre Bienenstöcke auf Hausdächern oder an nicht einsehbaren Stellen platzieren, da sie ansonsten Opfer von Vandalismus oder Diebstahl werden könnten. Gerade im Frühjahr, sagt sie, komme es schon einmal vor, dass fremde Imker anderen Imkern ganze Bienenvölker klauen und ihnen somit die Lebensgrundlage entziehen.
Aber ansonsten sei Berlin für die Imker und Bienen nahezu ein Paradies. Den Landbienen gehe es wegen der Monokulturen (zum Beispiel Raps) und dem Einsatz von Pestiziden oft sehr schlecht. In Berlin finden die Bienen dagegen eine große Blütenvielfalt. Als Nahrungsquelle dienen ihnen vor allem Frühjahresblüher, Obstbaumblüten (Kirsche, Apfel und Birne), Rosskastanien, Ahorn, Robinien und Linden. Nahezu ein Fünftel von Berlin besteht aus Wäldern, Parks und Gärten – es gibt 416.000 Bäume, davon sind 80.000 Linden. In der Sommerzeit, sagt Mueller, kämen Imker aus ganz Deutschland wegen der vielen Linden nach Berlin – denn die Ernte sei sicher und der Lindenhonig schmecke einfach grandios. Und die Autoabgase in Berlin seien auch kein Problem, da die Bienen die Schadstoffe aus ihrem Honig selbst herausfiltern.
Viele würden gar nicht wissen, erzählt sie, was man mit Honig so alles machen könne. Der Lindenhonig passe gut zu Käse. Am besten schmecke er aber auf überbackenem Ziegenkäse. Honig passe auch ins Salatdressing und man kann sogar einen Schokoladenkuchen mit Honig anstatt mit Zucker backen. Einen Rezeptvorschlag hat sie auch noch: „Die Obstbaumblüte harmoniert gut mit Räucherlachs: Man nehme zum Beispiel eine viertel Avocado, ein bisschen Räucherlachs, lege beides auf eine Brotscheibe und garniere es mit frischem Pfeffer und einem Teelöffel Obstbaumblütenhonig. Das schmeckt richtig lecker“, versichert Annette Mueller mit strahlenden Augen.
ANNETTE MUELLER, IMKERIN
„Jeder Honig hat seinen Charme“, erklärt sie weiter. Der Robinienhonig schmecke sehr mild und bleibe flüssig, die Linde ist dagegen ein bisschen herber, spritziger, zitroniger. Die Bienen haben jeweils eine Primärtracht, einen Favoriten, den sie zur Zeit der Blüte anfliegen. Anhand der Farbe des Honigs, des Standorts der Bienen, des Geruchs, des Geschmacks und des Schleuderdatums könne man jeden Honig charakterisieren. Je später das Jahr, desto intensiver und kräftiger wird der Honig. Der Supermarkthonig kreiere dagegen die Idee oder Illusion eines standardisierten Geschmackes, den es so gar nicht gibt. Den typischen Honiggeschmack könne es gar nicht geben, da jedes Bienenvolk zu unterschiedlichen Zeiten ein anderen Honig erzeuge. „Bei uns“, sagt Annette Mueller, „schmeckt jeder Honig anders. Wir kennen alle unsere Imker persönlich, und der Frühjahreshonig vom Walter schmeckt eben ganz anders als die Spätlese von der Melanie.“
Darüber hinaus sei der Supermarkthonig aufgrund der Importschwemme aus Südamerika und Asien auch viel zu billig. Und in den vergangenen zehn Jahren seien die Bienenbestände aufgrund von Monokulturen, Krankheiten, alternden Imkern und der Konkurrenz aus dem Ausland um 30 Prozent geschrumpft. „Um diesem Bienensterben entgegenzuwirken, kaufen wir den Honig von den Imkern vor Ort zu einem sehr fairen Preis. Wir wollen, dass die Imker wieder von ihrem Honig leben können.“
Im Moment arbeiten fünf Angestellte und 30 Imker für die Berliner Bärengold GmbH. Um die Basis zu verbreitern, möchte Annette Mueller in den nächsten zwei Jahren eine Vertriebs- und Konsumgenossenschaft für Berliner Honigliebhaber und Imker aufbauen. Sie sei sich noch unklar darüber, wie genau diese Genossenschaft funktionieren könne. Vorstellbar sei, dass Honigliebhaber Genossenschaftsanteile erwerben und dafür in Form von Honig etwas bekommen. Aber noch seien viele Fragen offen – deswegen gehe sie zum Beispiel auch auf die taz-Genossenschaftsversammlung, um dort Ideen zu generieren.
Apropos taz: Auf der Dachterrasse der taz möchte Annette Mueller demnächst zwei Bienenvölker ansiedeln. Der Honig der Bienen könnte dann möglicherweise schon nächstes Jahr als taz-Honig verkauft werden. „Und dann können die Redakteure“, sagt Annette Mueller mit einem spitzbübischen lächeln, „in ihren Arbeitspausen Bienen streicheln. Man kann Bienen wirklich streicheln, sie haben auf dem Rücken ein flauschiges Fell. Nur den Po sollten die Redakteure in Ruhe lassen, denn da sitzt der Stachel.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen