Steigende Preise in Argentinien: Proteste gegen Macris Rotstift
Die argentinische Regierung streicht Subventionen für Strom, Gas und öffentlichen Nahverkehr. Das führt zu Aufruhr in der Hauptstadt.
Nach der Ankündigung kam es auf zahlreichen Straßen in der Hauptstadt Buenos Aires zu Cacerolazos, den Protestkonzerten mit Kochtopfschlagen. Für Donnerstag haben die Gewerkschaften zu einem großen Marsch gegen die Regierungspolitik aufgerufen. Protestiert wird gegen die sinkenden Reallöhne und die steigenden Tarife.
Doch die Erfolgsaussichten der Protestierenden sind trüb, seit sich die Regierung selbst die Hände gebunden und hinter dem Internationalen Währungsfonds (IWF) verschanzt hat. Als Gegenleistung für Kredite von mehr als 50 Milliarden Dollar hat sie dem IWF eine schwarze Null im Haushalt 2019 versprochen.
Seither regiert im Präsidentenpalast der Rotstift. Gestrichen wurden nicht nur öffentliche Investitionen, sondern auch Tarifsubventionen. Wenig überraschend leiden darunter vor allem jene, die ohnehin wenig haben.
Millionen Argentinier sind in die Armut abgerutscht
Ende 2018 lebte ein Drittel der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze, stellte die Katholische Universität (UCA) in ihrem jährlichen Armutsbericht Mitte Dezember fest. Das sind 13,6 Millionen Menschen, gut 2 Millionen mehr als Ende 2017. Dabei hatte Präsident Mauricio Macri zu Beginn seiner Amtszeit vor drei Jahren „null Armut“ versprochen und stets beteuert, man soll ihn daran messen.
Auch die Mittel- und Oberschicht leidet – allerdings auf einem anderen Niveau. Ihr Steckenpferd, der Dollar, hat sich im abgelaufenen Jahr um das Doppelte verteuert. Mussten Ende 2017 noch 18,95 Peso für einen Dollar gezahlt werden, waren es Ende 2018 satte 38,83 Peso. Reisen ins Ausland sind teurer geworden.
Uruguay meldete bereits einen 30-prozentigen Rückgang bei den argentinischen TouristInnen im Vergleich zum Vorjahr. „Viele von uns sind heute keine Milliardäre mehr“, klagte Eduardo Costantini, Miteigentümer des exklusiven privaten Stadtviertels Nordelta bei Buenos Aires, über seine Vermögensverluste.
Tariferhöhungen mit Blick auf Wahlen
Positiver Effekt des teuren Dollar sind die sinkenden Importe, die Argentiniens Defizit in der Handelsbilanz erheblich verringert haben. Während das seit einigen Wochen zu einer anhaltenden Wechselkursstabilität beiträgt, brach die Industrieproduktion wegen der steigenden Preise bei den notwendigen Importen ein. Im November schrumpfte sie um über 10 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Folge: Kurzarbeit, Entlassungen, Betriebsschließungen.
Dass die Regierung zu all dem noch schnell die Tariferhöhungen verkünden ließ, hat einen Grund. Im Oktober wird ein neuer Präsident gewählt. Macri, der sich voraussichtlich zur Wiederwahl stellt, wollte die schlechten Nachrichten schon jetzt verbreiten. Der Präsident hofft auf eine Besserung der Lage im zweiten Halbjahr.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen