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petition der wocheAußenwanddämmung essen Kunst am Bau auf

Anlass der Petition Ein Wand­gemälde in Magdeburg soll verschwinden.

Das wollen die Initiatoren Es erhalten.

Das wollen sie nicht Den Klima­wandel forcieren.

Das Fassadengemälde an der Ernst-Wille-Schule in Magdeburg-Otterleben ist ideologisch völlig unverdächtig. Es zeigt eine chemische Laboranordnung mit Flammen und Blasen. „Organisches und Anorganisches“ nannte der in Ottersleben ansässige Künstler Dietrich Fröhner diese Kunst am Bau, die er bei der Errichtung der Schule 1978 beisteuerte. Es geht nicht um Bilderstürmerei, wenn die Malerei nun bedroht ist. Die Außenwand muss gedämmt werden, das Werk würde darunter verschwinden.

Anders erging es vielfach in den 1990er Jahren den Frohe-Zukunfts-Motiven des sozialistischen Realismus, wenn Plattenzeilen oder öffentliche Gebäude saniert wurden. Die neuen Eliten, für die es im Schurkenstaat DDR nur klassenkämpferische Auftragskunst gab, sahen es gern. Widerstand regte sich schon damals. Um vergleichsweise harmlose Neonröhrenwerbung für den Getränkehersteller Margon in Dresden oder um die „Löffelfamilie“ des VEB Feinkost Leipzig etwa wurde erfolgreich gekämpft. Darauf hofft nun auch der Verein „Bürger für Ottersleben“.

„Die Zerstörung von Kunst am Bau und Kunst im öffentlichen Raum, die in der Geschichte der DDR eine große Bedeutung hatte, darf nicht weiter fortschreiten“, heißt es in einer an die Stadtverwaltung Magdeburg gerichteten Petition, die sich für den Erhalt des Fröhner-Kunstwerkes einsetzt und bei Openpetition online ist. „Wahrscheinlich ist das Gemälde bei der Planung der Schulsanierung einfach vergessen worden“, sagt Hans-Walter Magnus vom Bürgerverein. Er hat den 1983 mit nur 44 Jahren verstorbenen Künstler noch gekannt.

Erste Unterstützung erhielten die Otterslebener vom Berufsverband Bildender Künstler in Sachsen-Anhalt. Geschäftsführerin Ruth Heftrig formulierte die Onlinepetition. „Als sichtbare Zeugen der DDR-Kulturpolitik haben diese Kunstwerke einen hohen zeithistorischen Wert“, mahnt sie. Auch die Ernst-Wille-Schule mit ihrer Leiterin Regina Diestel möchte Fröhners Werk im Original erhalten. Das 8,75 mal 4,80 Meter große Gemälde erstreckt sich über drei Etagen und dient in modifizierter Form als Schullogo.

Die Petition will die Wärmedämmung nicht verhindern. Magnus und die Schulleitung schlagen vor, an der Stelle des Gemäldes eine Innenwanddämmung vorzunehmen – das mit Silikatfarbe auf den Putz aufgetragene Werk bliebe so erhalten.

„Die größte Sorge der Stadträte ist, dass die mit fristgebundenen EU-Mitteln geförderte Schulsanierung weiter verzögert wird“, berichtet FDP-Stadträtin Carola Schumann aus der Mehrheitsfraktion von CDU, FDP und Bund für Magdeburg. Sie sitzt im Kulturausschuss und möchte das Werk erhalten, spricht aber von einer Zwickmühle: „Man hätte sofort bei der Planung reagieren müssen!“ Nun schlägt sie die Anfertigung einer Kopie auf der erneuerten Fassade vor. Bürgerverein und Schule aber bestehen auf dem Erhalt des Originals.

Die für den 24. Januar angesetzte Entscheidung im Stadtrat ist um einen Monat verschoben worden. Zeitgewinn für Petenten und Verwaltung, den eventuellen Mehraufwand zum Erhalt des Originals zu kalkulieren. Im Jahr, in dem sich Magdeburg als europäische Kulturhauptstadt 2025 bewirbt, wäre die Rettung eines Kunstwerks ein feiner Zug, finden die Petenten. Michael Bartsch

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