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Anna Lehmann über die Forderung nach strengeren SchulnotenKomplexität fördern

Der Philologenverband ist eine konservative Vereinigung von GymnasiallehrerInnen, die unverdrossen Ideen von gestern als Vorschläge für die Schule von morgen verkauft. Auch die Idee strengerer Abiturnoten gehört dazu. Dennoch darf man dem Verband für seinen neuesten Vorstoß dankbar sein. In der Tat brauchen wir eine Debatte über Schulnoten.

Die Verbandsvorsitzende trifft ­einen wunden Punkt, wenn sie meint, Schulnoten gäben den Betroffenen eine unzutreffende Rückmeldung über ihr Leistungsvermögen. Außerhalb der Schule könne eine solche falsche Selbsteinschätzung zu Problemen führen. Die Vorsitzende bezieht das allerdings nur auf zu positive Noten, nach der Logik: Strenge Noten sind immer gerecht.

Letzteres ist natürlich Quatsch. Richtig ist: Noten geben nur ein sehr reduziertes, oft verzerrtes Bild des Leistungsvermögens der Schüler wider. Sie sind zudem subjektiv. Denn Noten messen nicht, wie viele glauben, individuelle Leistungen, sondern setzen die Leistungen des Einzelnen in Bezug zum Durchschnitt aller. In Zeiten, als 50 Schüler in einer Klasse auf ihren Schiefertafeln das A übten, in denen alle zum selben Zeitpunkt dasselbe beherrschen sollten, dienten sie im Wesentlichen der Komplexitätsreduktion. Doch schon in diesen vermeintlich guten alten Zeiten hat die Skala von 1 bis 6 nur bedingt funktioniert.

Wir leben in einer Gesellschaft, die ihren Wohlstand längst nicht mehr auf industrialisierte Fließbandproduktion gründet, sondern Kreativität und ­Innovation belohnt. Entsprechend müssen sich auch die Schulen wandeln. Von LehrerInnen wird verlangt, ­SchülerInnen individuell zu fördern, sie sollen sie auf Teamarbeit, vernetztes Denken und Wissenstransfer vorbereiten. Noten wirken da anachronistisch.

Wie belohnt man Schüler, die zu dritt an einer Präsentation arbeiten, wie prämiert man außergewöhnliche Ideen? Wie wird man Kindern gerecht, die trotz geistiger Behinderung mit großem Fleiß Lesen lernen? Einige Schulen haben da schon gute Erfahrungen gesammelt. Es müssen viel, viel mehr werden.

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