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Rollkragenpullis zu Glitzerstaub

Macht’s gut! Die Nürnberger Band Throw That Beat in the Garbagecan gibt seit einiger Zeit rauschende Abschiedskonzerte. Nun soll endgültig Schluss sein

Throw That Beat in the Garbagecan: eine Band, die sich selbst zeichnet Illustration: Klaus Cornfield

Von Imke Staats

Zu einer Zeit, als zahllose Popfans in Rollkragenpullis und Second-Hand-Blazern in gedeckten Farben zwischen Anthrazit und Dunkelschwarz zu hymnisch die Apokalypse feiernden Songs hospitalistisch wankten, machten eine Handvoll MusikerInnen aus Nürnberg was ganz anderes. Sie dekorierten sich in hellen Farben und spielten Musik in Dur mit psychedelischer Schlagseite. Später sangen sie dazu catchy und niedliche, aber auch sarkastische Refrains und tanzten lustig auf der Bühne. Throw That Beat in the Garbagecan übertrugen gute Laune auf ihr Publikum, was in der Sphäre des anspruchsvollen Indie-Pop der Achtziger hierzulande rar war.

1986 fingen Frontmann und Sänger Klaus Cornfield, Gitarrist Polli Pollunder, Flötistin und Melodicantin Lotsi Lapislazuli und ihre Schwester Iwie Candy X07 am Keyboard, Lord Ray am Bass und Drummer Alex Sticht in Nürnberg an. Erfolge blieben nicht aus. Sie tourten viel und weit, zum Beispiel durch Japan, wo sie ganz groß rauskamen. Hierzulande aber auch: TTBITG schafften es sogar auf eine Spex-Titelseite und im einstmals populären Clipsender MTV wurden sie 1993 zur besten Neuen Band des Jahres gekürt.

Ab 2004 Jahre war Kunstpause. Die Band wurde auf Eis gelegt. Neben Schlagzeuger Alex Sticht und Bassist Ray blieb auch Mastermind Klaus Cornfield der Musik treu, ging nach Berlin und spielte fortan in anderen Formationen wie dem Berliner Spielzeuginstrumentenorchester OMP (Orchestra Miniature in the Park) oder bei der tollen Band Katze. Zudem ist Cornfield als Comic-Zeichner seiner „Kranken Comics“ seit langer Zeit produktiv, zuletzt veröffentlichte er etwa den Sammelband „Das gesammelte Elend“.

In den 2010er Jahren erstanden ­Throw That Beat in the Garbagecan hin und wieder von den Toten auf und gaben „Abschiedskonzerte“. So auch vor Kurzem im Hamburger Knust. Auch wenn man TTBITG nicht zu der sich Ende der Achtziger parallel entwickelnden Hamburger Schule zählen konnte, da sie auf Englisch statt auf Deutsch sangen und auch keine Diskurse pflegten, wurde das Konzert von vielen VertreterInnen und FreundInnen aus dieser Phase besucht. Die, die aus Zeit- oder Stressgründen nicht die Darbietung auf der Bühne einrichten konnten, fanden sich größtenteils vor der Bühne wieder. Zunächst leitete Jan Plewka, der beste Rio-Reiser-Epigone der Republik, den Abend mit dem passenden Titel „It’s Never Enough“ der Gruppe ein. Dann gesellten sich Lokalhelden wie Bernd Begemann, Knarf Rellöm und Andree Niemann dazu, um dem ersten Stück zu huldigen, das Klaus Cornfield und Polli Pollunder einst für TTBITG komponiert hatten. Es trägt den eingängigen und gut singbaren Titel „Shalalala Want You“ und fetzte in dieser Formation ordentlich. Nachdem Begemann noch bei „I’m All Dressed Up“ mitgecrooned hatte, kündigte Knarf Rellöm den Konzertabend offiziell mit viel Hall im Ska-Stil à la Madness an.

Dann gesellten sich Lokalhelden wie Bernd Begemann, Knarf Rellöm und Andree Niemann dazu

Während der Show ging es überwiegend glücklich zu, was mit viel Licht in Pink und Lila und gelegentlich von der Bühne geworfenen Händchen voll Goldstaub auch visuell deutlich wurde. Im Glitzer wurde getanzt und gesungen. Das Publikum kannte alle 26 Songs. Am liebsten hatte es offenbar das vorletzte Lied „Red Go-kart“; so konnte es durchgehend aus voller Kehle trällern und einmal auch ein bisschen zu laut, was Lotsi Lapislazuli zu einer freundlichen Ermahnung jenseits der Bühne gereichte. Jene Lotsi L. war mit ihrem originell ins Haar geknoteten Hut und ihrer Kunst, unbeirrt mit Blockflöte, Melodica, Glockenspiel und tatkräftigem Gesang für zwei eine gewisse Süße einzuspielen, schon beeindruckend.

Auch die weitere Besetzung war historisch korrekt: Lord Ray nahm den Bass, Polli Pollunder die Gitarre, Alex Sticht schlug das Schlagzeug wie eh und je, Iwie Candy Xo7 stand am Keyboard wie einst – und die Stimme von Klaus Cornfield hat sich in all den Jahrzehnten nicht groß verändert. Wie ein gefühlter Jungbrunnen! Und wie schön, sich nicht dafür zu schämen. Ganz im Gegenteil: Unter Gleichgesinnten konnten solide Fans nach dem Konzert noch beinahe eine Stunde lang Autogramme holen, mit Schnäpschen anstoßen und ihren Dank ausdrücken.

Soll nun wirklich Schluss sein? Vielleicht fehlt noch ein Abschiedsgig bei den Fans im Ausland, zum Beispiel in Japan.

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