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Permanenter Kostümwechsel

In der Reihe „Kleider machen Leute“ zeigt das Zeughauskino deutsche Filme der 1940er und 1950er Jahre, in denen die Mode wiederkehrendes Thema war

In „Modell Bianka“ (DDR 1951) von Richard Groschopp konkurrieren zwei Betriebe in Sachen Konfektion Foto: SDK Deutsche Kinemathek

Von Carolin Weidner

Ein hellblaues Kleid! Das würde ihr besonders gut stehen! Findet Conny. Sowieso weiß der für jede Frau die passende Farbe. Der einen empfiehlt er ein Lindgrün, der anderen Violett. Mit Sternzeichen kennt er sich auch aus. Kombiniert mit einem galanten Auftreten und extravagant gemusterten Krawatten, fliegen ihm die Herzen zu. Conny wird von Hanns Groth gespielt, den man längst zu kennen meint – diese hohe Gestalt mit dem fein geschnittenen Gesicht und der angenehmen Stimme. Doch recherchiert man ihm nach, stellt sich bald heraus, dass es sich um einen Trugschluss handeln muss. Über Groth ist nicht viel bekannt und schlimmer: nur ein Jahr nach der Veröffentlichung von Slatan Dudows „Frauenschicksale“ (DDR 1952), verstarb er mit gerade mal 41 Jahren an einer Halsentzündung. Dudows Film ist einer der interessantesten in der von Mila Ganeva und Christine Kisorsy kuratierten Reihe „Kleider machen Leute“, die zwischen dem 9. und 25. Januar im Zeughauskino zu sehen ist. Und Conny eine Figur, die in Erinnerung bleibt.

„Frauenschicksale“ ist wiederum ist wie gemacht für einen verkrachten Dandy-Typen wie ihn. Ein permanenter Kostümwechsel, ein sich immer schneller drehender Reigen, schriller und propagandistischer werdend, in dem die Kleider der Guten von Minute zu Minute grauer, und die der Ungezogenen prächtiger und exaltierter werden. Kennt man den Regisseur nicht, ist eine derartige Entwicklung zunächst nicht abzusehen. Dudow, Jahrgang 1903, inszenierte bereits vor der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten kommunistisch-proletarische Filme, hatte die Bekanntschaft mit Eisenstein und Brecht gemacht und emigrierte nach 1933 erst nach Frankreich, dann in die Schweiz. Ende der 1940er Jahre kehrte er nach Deutschland zurück und begann, sich in der jungen DDR einen Namen zu machen. Der zweite DEFA-Film überhaupt, „Unser täglich Brot“ (DDR 1949), ist unter seiner Regie entstanden. Fünf weitere folgten, bis auch Dudow, 1963, während der Dreharbeiten an „Christine“ starb.

Mit diesem Wissen sieht man „Frauenschicksale“ anders. Denn auf den ersten Blick schien es, als guckte Dudow mit einer naturalistischen, progressiven Haltung den jungen Frauen und Männern in die Gesichter, die im zerstörten Nachkriegsberlin Grund unter den Füßen suchen. Gezeigt werden Liebeskummer und der Wunsch nach Orientierung in einer Stadt, die zwar geteilt ist, aber noch passierbar, kurz: in der es möglich ist, sich zu entscheiden, ob man es in der West- oder Ostzone probieren möchte. Man begegnet zusammen gewürfelten Wohngemeinschaften von Frauen, die Männer verloren haben und dafür Kinder adoptiert. Die sich gegenseitig unter die Arme greifen und ein wenig Trost spenden, wenn einer eine Männergeschichte zusetzt. Wie Barbara (Anneliese Book), der es mit Conny schlecht ergangen ist – dem von Dudow zum Tänzer und Hallodri Gebauschten, der mit seinem Motto „Man lebt nur einmal!“ dem grassierenden Konsumrausch eine Stimme verleiht. Jener Rausch kommt natürlich vom Westen her und ist: fatal. Ganz besonders in Form eines hellblauen Kleides. Ein offenbar bislang unterschätztes Kleidungsstück, denn auch in Erich Engels „Das himmelblaue Abendkleid“ (D 1941), der ebenfalls Teil der Reihe ist, spielt ein solches Dress eine tragende Rolle.

Dass Kleidung weit mehr ist als ein nützliches Mittel, um weder nackig noch frierend in der Gegend herumzustehen, bezweifeln wenige. Dass sich über Kleidung aber auch Politisches artikulieren lässt, beweist nicht nur „Frauenschicksale“, wo ins Verderben führender Individualismus mit aufregender Mode einhergeht. In Wolfgang Liebeneiners „Großstadtmelodie“ (D 1943) muss die junge Fotografin Renate Heiberg (Hilde Krahl) erst ihre bayrischen Blusen mit Rüschenärmeln loswerden, bevor man sie in Berlin überhaupt ernst nimmt. Mit neuer Frisur und feschem Mützchen, geht es dann aber direkt zur Fotoreportage „Am Rande der Modenschau“. Renate gefällt, endlich: „So hübsch und so klug und so jung – Sie werden es einmal weit bringen!“, wird ihr bescheinigt. Zu viel Schick und Erfolg soll es dann aber bitte auch nicht sein. Zwar möchte man Renate ansehnlich und apart, aber nicht zu sehr. Wo bleibt denn sonst das Mütterliche, das sich, schrecklich und schön zugleich, am Ende von „Großstadtmelodie“ schon am Horizont abzeichnet.

Mitten hinein in die Branche führt derweil „Modell Bianka“ (DDR 1951) von Richard Groschopp. Zwei Konkurrenzbetriebe in Sachen Konfektion, VEB Berolina und VEB Saxonia, kommen sich hier in die Quere, aber auch näher: während einer gemeinsamen Ferienfahrt in ein Skigebiet. Brückenbilder und Symptom für Schwieriges ist wieder einmal ein Kleid, ein Kleid namens „Bianka“. Als Entwurf flatterte es von einem Betrieb in den anderen – und soll auf der Leipziger Messe schließlich für nicht weniger stehen als den Erfolg der DDR in der Welt.

Kleider machen Filme: Mode und Modebranche im deutschen Film der 1940er bis 1960er Jahre: 9.–25. 1., Zeughauskino

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