: Hört aufzu bauen!
Wohnungsnot, Wohnungsgipfel, Baukindergeld, mehr Wohnungen, neue Wohnungen – Worte wie diese sind in aller Munde. Und das, nachdem viele Kommunen ihre Liegenschaften und Wohnungsbaugesellschaften billig veräußert, ja verschleudert haben. Dumm gelaufen. Ungeahnt wachsen die Städte, steigen die Mieten mancherorts rasant. Ist es nicht folgerichtig, wenn Land und Stadt, Immobilienfirmen, Planungsbüros und Politiker neu bauen lassen wollen?
Es ist verkehrt und nicht nötig. Das sagt Daniel Fuhrhop, der 2015 die Streitschrift „Verbietet das Bauen!“ veröffentlicht hat. Seither betreibt er einen gleichnamigen Blog, mit dem er gegen Bauwut und Bausünden zu Felde zieht. „In großen Teilen Deutschlands herrscht kein Wohnungsmangel“, sagt Fuhrhop, „sondern dort gibt es Abwanderung und Leerstand.“ Die Mehrheit der Gemeinden verliere nach wie vor Einwohner. „Es geht um Verlagerung.“ Es geht um Umdenken, im Großen wie im Kleinen.
Das Umdenken fängt bei der Wohnfläche an: 46,5 Quadratmeter bewohnt der oder die Deutsche im Durchschnitt. 1991 waren es nur 31,9 Quadratmeter pro Kopf. Diese Entwicklung ist Teil des versteckten Leerstands: zu große Wohnungen, wenn die Kinder ausziehen oder Partner sterben. Es ist aber auch Teil einer gesellschaftlichen Entwicklung, die immer mehr Single-Haushalte produziert. Fuhrhop plädiert für Tauschbörsen, regionalen Austausch, Umzugsprämien, variable Wohnformen wie sogenannte Clusterwohnungen, die große Gemeinschaftsräume und weniger Privatraum bieten und je nach Bedarf und Lebensphase angepasst werden können. Aber das sind dann oft neue Wohnungen, Wohnprojekte. Die meint er eigentlich nicht.
„Bauen ist unsozial“ und „spaltet die Gesellschaft“ lautet eine der provokanten Thesen seines Buchs. „Ich bin nicht gegen das bessere, gegen das soziale oder ökologische Bauen“, sagt Fuhrhop. Wenn gebaut wird. Denn er ist gegen Abriss, gegen Neubau und für Rückbau, Sanieren, Umbauen. „Alte Häuser sind Heimat“ und „besser als ihr Ruf“, heißt es in seiner Streitschrift. Er ist überzeugt, „wenn man neu baut, ist das immer teuer, es dauert immer lang und ist immer konfliktreich“. Alternativen dauerten auch lang und seien komplex, sagt er, „aber sie sind tendenziell trotzdem ökologischer und kostengünstiger. “
Fuhrhop steht mit seinen Überlegungen nicht alleine da. Es gibt den Trend zu den Tiny Houses, den Kleinsthäusern. Auch in der Architektenszene gibt es Um- und Vordenker wie den Architekten Muck Petzet. Der setzte schon bei der Architektur-Biennale in Venedig 2012 mit der Gestaltung des Deutschen Pavillons unter dem Motto „Reduce – Reuse – Recycle“ (Reduzieren, Wiederverwenden, Recyceln) ein deutliches Zeichen. Sein Kollege Andreas Hild plädiert für ein erweitertes Denkmal- und Umbaurecht: Jahrhundertelang hätten Architekten und Bauherren Gebäude umgebaut, anderes hätten sie sich gar nicht leisten können. Sanieren sei nur dann teurer, wenn die im Bestand enthaltene Energie nicht mitgerechnet werde. Daraus könnte eine ganz neue Architektur erwachsen, die nicht nur Alt oder Neu kennt, sondern auch etwas dazwischen zur Geltung bringt.
Daniel Fuhrhop, der früher einmal einen Architekturverlag besaß, wohnt heute in einem Wohnprojekt in Oldenburg bei Bremen. Eine umgewandelte Kaserne. Die Universität Oldenburg hat ihn gebeten, an einem Forschungsprojekt mitzuarbeiten, das sondieren will, wie man am besten Wohnraum für ältere Menschen vermittelt. Im März geht’s los. Sabine Seifert
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