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Klimakonferenz in PolenKeine Heißzeit in Kattowitz

„Heißzeit“ ist das Wort des Jahres 2018. Das passt: Obwohl Forscher vor einer katastrophalen Erwärmung warnen, tut sich beim Klimagipfel wenig.

Viele Indigene sind betroffen: Wichtige Punkte für Entwicklungsländer werden eher klein gehalten Foto: dpa

Kattowitz taz | Die Auszeichnung kommt genau zur richtigen Zeit: „Heißzeit“ ist das Wort des Jahres 2018, erklärte die Gesellschaft für deutsche Sprache am Freitagmorgen in Wiesbaden – während zur gleichen Zeit im polnischen Kattowitz die entscheidenden Verhandlungen der 24. UN-Klimakonferenz (COP24) beginnen. Offiziell endet das Treffen am Freitagabend, aber alle Beteiligten rechnen mit mindestens einem Tag Verlängerung. Auf die Delegierten wartet noch viel Arbeit. Aber immerhin liegt seit Freitagmorgen zum ersten Mal ein Verhandlungstext vor.

„Heißzeit“ beschreibe nicht nur den diesjährigen Hitze-Sommer, sondern „spielt auch auf eines der drängendsten Probleme des beginnenden 21. Jahrhunderts an“, heißt es als Begründung der Jury. Das ist noch sehr vorsichtig formuliert. Denn seit diesem Sommer gilt „Heißzeit“ („Hothouse Earth“) nicht nur als Metapher, sondern unter Wissenschaftlern als ernstzunehmende Warnung: Selbst bei Umsetzung des Pariser Abkommens zum Klimaschutz bleibe das Risiko einer katastrophale Erwärmung der Erde um 4 bis 5 Grad Celsius.

Auf diese Gefahr hatte im August ein Team von australischen und schwedischen Wissenschaftlern in einem Aufsehen erregenden Fachartikel in den „Proceedings of the National Acadamy of Sciences“ hingewiesen. Die Meeresspiegel lägen dann um 10 bis 60 Meter über dem heutigen Niveau. Der Abschied von Kohle, Öl und Gas müsse daher deutlich schneller passieren als bislang geplant.

Angesichts dieser Warnungen ist der Fortschritt bei der Konferenz in Polen kaum messbar. Der polnische COP-Präsident Michal Kurtyka hat nun einen 144-seitigen Text vorgelegt, der als Grundlage für eine Einigung dienen soll. Noch am Donnerstagabend hatten es Kurtyka und das UN-Sekretariat nicht geschafft, aus den verschiedenen Verhandlungsergebnissen einen gemeinsamen Text zu machen.

Zusagen der Industrieländer weiter fraglich

Aber auch im vorliegenden Entwurf sind immer noch 185 Stellen umstritten, die die Verhandler ausräumen müssen. Nach dem langsamen Fortschritt und einer langen Nacht gab sich die deutsche Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) am Freitagmorgen dennoch optimistisch: „Es sieht gut aus“, sagte sie. Der Text stoße „nicht überall auf Zufriedenheit“, sei aber so ausbalanciert, dass man ihn gut zur Grundlage für weiteres Arbeiten nehmen könne.

Die Kritik der Staaten am Text in der Nachtsitzung sei „nicht so rabiat“ gewesen, dass eine Einigung gefährdet sei, hieß es von Verhandlern. Allerdings sind die meisten strittigen Themen auch noch offen. In der Frage, welche Länder welche Daten über ihre Klimaschutz-Anstrengungen veröffentlichen müssen, stehen noch völlig verschiedene Versionen gegeneinander. Bei der Finanzierung von jährlich 100 Milliarden Dollar für die ärmeren Länder wiederholt der Text lediglich die bisherigen Zusagen. Fraglich ist weiterhin, ob die Industrieländer zusagen, mit ernsthaftem Klimaschutz – etwa einem Kohleausstieg – schon möglichst vor 2020 zu beginnen.

Kritisch könnte auch sein, dass wichtige Punkte für die Entwicklungsländer bisher eher klein gehalten sind. Das Thema von Verlust und Schäden kommt nur am Rand vor. Auch die Frage nach Konsequenzen aus dem aktuellen Bericht des Weltklimarats IPCC zu 1,5 Grad, der zu entschlossenem Handeln drängt, hängen die Industriestaaten eher niedrig. Zu den umkämpften „Marktmechanismen“, also etwa den internationalen Emissionshandel, zeichnet sich nur eine Entscheidung über die Grundsätze ab, Details müssen später folgen.

Martin Kaiser, Geschäftsführer von Greenpeace Deutschland, nannte den vorliegenden Text „inakzeptabel“. Die Umweltschützer stört vor allem, dass der IPCC-Bericht zu 1,5 Grad und ein Ausgleich für „Verlust und Schäden“ durch den Klimawandel in dem Entwurf stiefmütterlich behandelt würden. „Es besteht die Gefahr, dass die beiden Themen gegeneinander ausgespielt werden“, so Kaiser. „Das wäre für die bedrohten Länder eine Katastrophe.“

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