Flucht über das Mittelmeer: Traueranzeigen für die Toten
Die Nichtregierungsorganisation Sea-Watch erinnert mit 800 Anzeigen an Menschen, die im Mittelmeer ertrunken sind. Das Sterben sei eine Krise der Menschenrechte.
Sea-Watch bezieht sich auf Zahlen der Internationalen Organisation für Migration (IOM), wonach seitdem 800 Flüchtlinge im zentralen Mittelmeer ihr Leben verloren. Die Dunkelziffer liege aber wahrscheinlich weit höher, betonten die Seenotretter. Da die Identität der allermeisten Toten unbekannt sei, stützten sich die Anzeigen statt auf Namen auf fiktive Beschreibungen.
So heißt es etwa: „Sein erster Sohn war gerade geboren. Ertrunken vor der Küste Al-Khums, Libyen. 1. Juli 2018“. Oder: „Er konnte schon ‚Papa‘ sagen. Ertrunken vor der Küste Al-Khums, Libyen. 1. September 2018“. Die europäische Abschottungspolitik habe diesen Menschen nicht nur das Leben, sondern auch ihre Identität genommen, heißt es zur Begründung. Die Todesanzeigen sollten im Zwei-Minuten-Takt auf den Facebook- und Twitter-Kanälen von Sea-Watch geschaltet werden.
Die Aktion sei auf den Tag der Menschenrechte am 10. Dezember gelegt worden, weil die Tragödie im Mittelmeer keine Flüchtlingskrise widerspiegele, sondern eine Krise der Menschenrechte. „Während im September die Todesrate im zentralen Mittelmeer auf ein Rekordhoch gestiegen ist, tritt die Europäische Union ihre Grundwerte mit Füßen und beraubt Menschen systematisch ihrer unveräußerlichen Rechte“, erklärte der Einsatzleiter der „Sea-Watch 3“, Johannes Bayer. „Zwischen Menschenrechten und Migrationsabwehr gibt es auf hoher See jedoch keine Kompromisse: Entweder wir retten oder wir lassen ertrinken.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Höfliche Anrede
Siez mich nicht so an
US-Präsidentschaftswahl
50 Gründe, die USA zu lieben
Bundestag reagiert spät auf Hamas-Terror
Durchbruch bei Verhandlungen zu Antisemitismusresolution
Grundsatzpapier des Finanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik
Klimaziele der EU in weiter Ferne
Neue Klimaklage gegen Bundesregierung
BSW in Thüringen
Position zu Krieg und Frieden schärfen