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Hüpfburgen in der Wüste

Das Jahr, das wird: Heuer mit Tempolimit in der Formel 1, den Genen von Golfer Bernhard Langer, Skispringer Noriaki Kasai, katarischem Fußballwissen und einer neuen Rolle des FC Bayern

Altmeister mit Ambitionen: Bernhard Langer golft weg, was geht Foto: imago

Von Bernd Müllender

Bischofshofen, 6. Januar. Mit „maximaler Erleichterung“ nimmt die Skisprungszene den Abschluss der Vierschanzentournee auf. „Trotz des tropischen Wetters konnten wir alle Wettbewerbe tatsächlich durchführen“, so ein Verbandssprecher, sowohl die hitzebeständigen Mattenbeläge als auch die Skier mit Rädern statt Kufen hätten „sich sehr bewährt“.

Doha, 7. Januar. Umgehend bietet der Emir von Katar Schanzen-Asyl an. „Wenn Sie mit Ihren abschmelzenden Bergen nicht mehr klarkommen, könne man das Four Hills Tournament im nächsten Winter auch am Golf starten. „Ein paar bouncy castles“ (dt.: Hüpfburgen) seien schnell gebaut, „Kühltechnik für Schneelandschaften ist ausreichend vorhanden“.

Brüssel, 8. Januar. Der Spielerberater Dejan Veljkovic, krimineller Strippenzieher im belgischen Fußballskandal, beendet seine Aussagen vor den Behörden. „Das Entsetzen könnte kaum größer sein“, so der Staatsanwalt danach, „wir sind completement fassungslos“. Details nächste Woche in „Das wird der Monat, der wird (1)“.

Winterberg, 27. Januar. Ausnahmslos deutsche PilotInnen belegen die Podestplätze der Rennrodel-WM.

Whistler, 9. März. Ausnahmslos deutsche PilotInnen belegen die Podestplätze der Bob-WM, zumal auch Felix Loch an allen neunten Kurven auf post­olympische Fairnessfahrfehler verzichtet. Die Nationen der Hinterherrutscher kündigen einen Wettkampfboykott an: „Die Deutschen haben unsportlichen Exklusivzugang zu Hightech-Material. Da nutzt auch das Hinterherdopen nichts.“ Der deutsche Bobverband will „für sauberen Sport“ Entwicklungshilfe leisten: „Unsere Sparringspartner können gern die ausrangierten Schlitten der Vorjahre nehmen.“

München, 14. März. Die Umwälzungen beim Krisenklub FC Bayern gehen weiter. Nach den jüngsten Liga-Niederlagen, dem Aus in Pokal (Hertha) und gestern in der Champions League (Klopp) erklärt sich das Personal für demotiviert. Und so übernimmt wieder Jupp Heynckes – per Home-Office vom Niederrhein, mit Videokonferenzen, Trainings-SMS und Twitter-Anweisungen. Die Spieler finden das „cool“ (Kimmich) und „cüül“ (Süle). Uli Hoeneß gibt eine ­Regierungserklärung: „Hund Cando ist inkontinent geworden und braucht häusliche Dauerpflege. Da nehmen wir als sozial verantwortungsbewusster Verein natürlich Rücksicht. Ich nehme den Jupp in jeder Form. Bei mir wäre er auch posthum immer erster Kandidat.“

München, 16. März. Der FC Bayern holt gegen Mainz „ein stolzes 1:1“ (Vorstand Rummenigge). Auch die Video-Pressekonferenz zum Ferntrainer nach Niederkrüchten klappt. Man sei „virtuell auf einem guten Weg“. In der Causa Würschtlgate bestätigt die CAS allerdings das Glutamat-Doping wegen verunreinigter Weißwürste – und damit die Punktabzüge.

Berlin, 17. März. Hund beißt Mann: Der BVB ist nach einem 1:0 in Berlin (Torschütze wie immer) vorzeitiger als jemals der FC Bayern deutscher Meister.

Augusta, 14. April. Der Belgier Thomas Pieters gewinnt das Masters der Golfer. Er widmet den Titel „meinen glorreichen golfenden Vorfahren im 14. Jahrhundert“. Tatsächlich ist das älteste bekannte Dokument, das Golf erwähnt, eine Verordnung aus Brüssel, die 1360 das kolven verbot, ein Spiel in der kleinen Eiszeit mit Eisbrocken und Holzstöcken in Ziele auf gefrorenen Wässern. Die beleidigten Schotten, die sich, seit Langem historisch umstritten, als „Home of Golf“ gerieren, legen Protest bei der belgischen Botschaft ein: „In Wässern können Löcher sein, aber keine Erd­löcher, wie sie die Regeln verlangen.“

München, 23. Mai. Magier Jupp Heynckes, gerade vitalitätsstrotzend ins 75. Lebensjahr eingebogen, scheint die Mission Bayernrettung zu wuppen. Ein Datenblackout im Netz des Hauptsponsors Telekom am letzten Spieltag kommt dazwischen. Die maladen Sturmgreise Robben (Bruch der Syndesmosebandscheibe an der Gehhilfe) und Ribéry (Wirbelblockade am Rollatorgetriebe) können nicht ausgewechselt werden, weil Anweisungen aus Niederkrüchten fehlen. „Und ohne Jupp durften wir nichts tun“, so nachher der verzweifelte Bankmanager Hermann Gerland, „dat is hier so wat von Grundgesetz!“ Frankfurt hält gegen neun Exmeister das frühe 1:0, der FC Bayern rückt würdevoll und verfassungskonform zurück in seine zweitklassige Heimat vor 1965.

Die Nations League hat ihren ersten Sieger: die Schweiz. Ende der Durchsage

München, 25. Mai. Karl-Heinz Rummenigge („2. Liga ist wie Lippstadt“) tritt zurück, Uli Hoeneß („das ist unter aller Menschenwürde“) folgt, will aber „eine neue Aufgabe beim FC Bayern übernehmen“. Die Geschäfte führt fortan Football-Leaks-Anwalt Michael Gerlinger, der Hausjurist: „Eine Bundesliga ohne FC Bayern schien undenkbar. Jetzt ist der Fall eingetreten. Wir werden aber in der neuen Super League dabei sein.“ Da spielten „Kinkerlitzchen wie Ligazugehörigkeit keine Rolle“.

Madrid, 1. Juni. Der katariös gepamperte Fußballklub Paris St.-Germain gewinnt im Atlético-Stadion mit 2:1 gegen Real Madrid die Champions League. Die Fußballfachleute aus dem beglückten Emirtum („ein erster strategischer Schritt zum WM-Titel 2022“) freut besonders, dass „so viele Fans in der Stadt des Gegners geradezu fanatisch unser Team unterstützt haben“. Für Uli Hoeneß läuft auch dieses Spiel unglücklich: Ausgerechnet Juan Bernat („nur Scheißdreck gespielt“), den er menschenrechtskonform einst nicht steinigte, sondern entgeltsicher vom bayerischen Hofe nach Paris jagte, erzielt das Siegtor.

Lissabon, 9. Juni. Die Nations League hat ihren ersten Sieger: die Schweiz. Mehr gibt es über diese Veranstaltung nicht zu sagen.

Brüssel/Oudenaarde, 6. Juli. Start der Tour de France. Auf der 1. Etappe muss die Mauer von Gerardsbergen gemeistert werden, dem fast 20-prozentigen Markenzeichen der Flandernrundfahrt, wo selbst Eddy ­Merckx einmal schieben musste. Die Tourleitung meldet nachher: „Alle sind durchgekommen. Auf geht’s in die Ebenen von Alpen und Pyrenäen nach Paris.“

Paris/Lyon, 7. Juli. Die deutschen Fußballfrauen werden auch ohne Faktotum Horst Hrubesch an der Linie mal wieder Weltmeisterin (2:0 gegen die USA). Die Fußballwelt rätselt, warum das Finale nicht in Paris stattfand, der Magnetstadt, die sonst alle französischen Events absorbiert. Marine Le Pen erklärt, die Regierung plane offenbar „die Abschaffung unserer Hauptstadt“. Emmanuel Macron lädt sie zum Finale der Tour drei Wochen später auf die Champs Elysées, „um die führende gelbe Weste zu feiern“.

Jülich, 22. Juli. Bei der ersten WM im Kirschkernweitstoßen sorgt die Drehtechnik für beste Ergebnisse – es siegt die Kana­die­rin Yvonne Spitfield mit 17,66 Metern. Das neue Championat ist Konkurrenz zur althergebrachten WM im Kirschkernweitspucken nebenan in Düren, wo man mit dem Avocadokernweitspuck-Award kontert. Die Göttinger Bewegungsethnologin Prof. Bettina Hirsch-Wurz jr. lobt die „große humanoide Kernekompetenz im Rheinland“.

München, 27. Juli. Uli Hoeneß hat seinen ersten umjubelten Auftritt als rasentanzendes Heimspiel-Maskottchen im spacken Plüschkostüm. Die Abstimmung der Fans über den Namen läuft noch: Als Favoriten gelten Bazi-Uli, Lederhosen-Attila, Allianzotifanti, Hoeninho oder gleich Bestia Negra.

Rodel- und Bob-Trikolore: typisches Bild, wenn Talfahr-TeutonenErnst machen Foto: imago

Francorchamps, 1. September. Tempolimit beim bel­gischen Kreisgerase der Formel 1: Der Bach Eau Rouge entlang der Strecke mit seinem eisenbedingt rötlichen Wasser ist von den wallonischen Naturschutzbehörden zum „ökologisch fragilen Weltnaturerbe“ ernannt worden. Bis 1919 war der berühmte Bach sogar die Grenze zwischen Deutschland und Belgien, bis heute heißt eine tückische Kurve der Rennstrecke ebenso, die der Exfahrer Michael Schumacher als Erster mit Vollgas durchpeitschte. „Dort sind jetzt Rotkehlchenkolonien entdeckt worden, zudem äst hier das Rotwild des Venns“, sagen die Behörden, „ab sofort gilt Tempo 30.“ Umweltverbände begrüßen die Entschleunigung der kranken Raserszene: „Ein erster Schritt zum Stillstand.“

München, 8. September. Mit fünf Siegen in Serie übernimmt der FC Bayern die Tabellenführung der 2. Liga. „Endlich san mia wieder mia“, sagt das Hoe­ninho.

Phoenix, 10. November. Zum sechsten Mal gewinnt der jetzt 62-jährige Profigolfer Bernhard Langer den Schwab Cup der Senioren und lässt dabei seinen jungenhaften Konkurrenten mit ihren 50 oder 53 Jahren keine Chance. Humangenetiker beginnen sich für Langers Erbanlagen zu interessieren. „Offenbar ist es doch möglich, nicht zu altern“, sagt Vergreisungsforscher Prof. William Shavesbury (Arizona State University).

Shenzen, 11. November. Der Chinese He Jiankui reicht am ersten Geburtstag seiner HIV-resistenten Zwillinge Lulu und Nana ein Klonangebot für Langer ein. Vor einem Jahr hatte der Schlägerschwinger nach seinem damaligen Sieg gesagt: „Mal sehen, was noch im Tank ist …“ He staunt: „Offenbar hat Langer eine autoimmune Refill-DNA. Ich werde sie entschlüsseln.“

Doha, 29. Dezember. Same procedure – bis auf den Ort: Die Vierschanzentournee startet bei prächtigem virtuellem Winterwetter im Wüstenstaat Katar (siehe 7. Januar). Erster Sieger ist der japanische Jungbrunnen Noriako Kasai, 49. Sapiens­fummler He Jiankui erklärt, er wolle den achtfachen Olympiateilnehmer „am liebsten mit dem Langer-Bernhard kreuzen oder mit diesem Heynckes-Josef“. Kasai lehnt ab: „Meine DNA gehört mir.“

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