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heute in bremen„KeinPlatz für Spontanität“

privat

Jan-Paul Koopmann, Journalist,betreut die Kulturseiten der taz bremen. Im Wechsel mit Benjamin Moldenhauer veröffentlicht er hier auch die Kolumne „Popmusik und Eigensinn“.

Interview Jean-Philipp Baeck

taz: Jan-Paul, wieso tut ihr euch so schwer mit dem Umgang mit der Castingshow „The Voice of Germany“, die heute in Bremen ist?

Jan-Paul Koopmann: Wen meinst du jetzt mit „ihr“?

Na, ihr Kulturkritiker der Pop-Linken. Eigentlich könnt ihr doch in fast jedem populären Gedöns irgendetwas Progressives entdecken. Warum nicht bei „The Voice“?

Die Show ist eben kein Gedöns, sondern ein total dicht konstruiertes Format. Das lässt dich mitleiden, mitzittern, mitbescheidwissen. Da ist kein Platz für Spontanität oder sonst irgendwelche freiheitlichen Regungen. Na ja, und Kunst unter Wettkampfbedingungen zu pressen ist auch maximal unsympathisch. Andererseits macht das natürlich ein Stück verschleierter Marktförmigkeit sichtbar – falls du unbedingt etwas Positives hören willst.

Ist „The Voice of Germany“ emanzipatorischer als „Deutschland sucht den Superstar“ (DSDS), weil nur die Stimme der KandidatInnen zählt und nicht das Aussehen?

Klar. Wobei aber auch hinter dieser Idee von einer besten Stimme ein blöder normierter Pseudoperfektionismus steckt. Das ist das Elend klassischer Gesangsausbildung, nur dass die eigentlich leichtere Norm hier auch noch möglichst authentisch und gefälligst locker zu klingen hat. Da fällt „The Voice“ weit hinter die Freiheit von Pop zurück.

Wie reaktionär ist die Konkurrenzshow DSDS, bei der sich Zuschauer vor allem über die Versager lustig machen dürfen?

Reaktionär finde ich das überhaupt nicht. DSDS ist widerwärtig, unmoralisch und dumm. Aber das ist für konservative Wertvorstellungen ja genauso eine Provokation wie für emanzipatorische Ideen. Keine Ahnung, wie man das in Politkoordinaten abbilden könnte. Wahrscheinlich ist DSDS in erster Linie scheiße – und in zweiter dann Barbarei.

Auftakt der Live-Tournee der Castingshow „The Voice of Germany, mit dem Gewinner und Finalisten, 19.30 Uhr, Halle 7, Bürgerweide

Sind Castingshows der „Fun“, den Adorno als „Stahlbad“ bezeichnet hat – weil sie die Konkurrenz des Marktes in der Unterhaltung verdoppeln?

Adornos Fun steckt in diesem Lachen über die DSDS-Loser und ist da sicher auch ganz besonders hässlich anzuhören. Aber diese Konkurrenz-Kiste ist doch viel allgemeiner gültig: in den Charts am plakativsten, aber auch bis ins Denken und Fühlen der Künstler*innen selbst. Du kriegst Markt und Kunst überhaupt nicht auseinander. Das war schon lange vor Castingshows so, und ich glaube auch nicht, dass es hier wirklich extremer ist.

Kann Pop die Welt dann überhaupt noch retten?

Wahrscheinlich nur da, wo die Mächtigen noch so blöd sind, ihn zu verbieten. Ansonsten ist es wohl immer ganz gut, Kunst nicht als Werkzeug für irgendwas zu verstehen.

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