Kommentar zur Karl-Marx-Allee: Senat zum Erfolg verdammt
In letzter Minute hat sich Rot-Rot-Grün zusammen gerauft. Die Mieterinnen und Mieter, die an die Deutsche Wohnen verkauft wurden, können wieder hoffen.
Es wird das Geheimnis von Matthias Kollatz bleiben, was er sich bei diesem Vorschlag gedacht hat. Kredite der IBB an die Mieterinnen und Mieter der Karl-Marx-Allee, das hätte auch von der AfD kommen können, die schon lange eine Mieterprivatisierung fordert. Ein weiterer Schritt in Richtung Kommunalisierung des Wohnungsbestandes wäre es allerdings nicht gewesen.
Vielleicht hat Berlins SPD-Finanzsenator an die Schlagzeilen gedacht, wenn der Senat gar nichts gemacht hätte und die Mieter den Raubrittern und Dividendenjägern der Deutschen Wohnen überlassen hätte. Vielleicht ist ihm auch der Plan von Florian Schmidt, dem grünen Stadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, das Vorkaufsrecht über ein Treuhandmodell zugunsten einer Wohnungsbaugesellschaft auszuüben, zu kühn und vage und damit rechtlich zu unsicher erschienen. Umso wichtiger ist es, dass der Senat am Dienstag einen gemeinsamen Weg vereinbart hat, dieses Modell weiterzuverfolgen.
Gelingt es, wäre der Erfolg nicht nur der von Florian Schmidt als Anstifter, sondern auch der Erfolg derer, die ihn mit umgesetzt haben: Finanzsenator Kollatz und Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke). Also ein rot-rot-grüner Erfolg, an dem alle Parteien der Koalition beteiligt sind. Scheitert er dagegen an rechtlichen Fragen, scheitern alle, ohne dass jemand zum Sündenbock gemacht werden kann.
Alles andere wäre auch politisch unverantwortlich. Die Rekommunalisierung des Wohnungsbestandes ist ein Projekt, bei dem alle an einem Strang ziehen müssen. Ein politischer Streit um die Karl-Marx-Allee würde dieses Bündnis lähmen.
Und das wäre fatal. Denn knapp zwei Jahre nach Unterzeichnung des rot-rot-grünen Koalitionsvertrags zeigt sich mehr denn je, dass die Frage von Erfolg oder Misserfolg von SPD, Linken und Grünen vor allem von einem abgestimmten Handeln in der Wohnungspolitik abhängt. Kollatz, Lompscher und Schmidt sind also zur erfolgreichen Zusammenarbeit verdammt.
Leser*innenkommentare
DiMa
Für dieses "Treuhandmodell" gibt es schlichtweg keine rechtliche Grundlage. Der Einzige, der diese Art von Vorkaufsrecht ausüben darf ist per Gesetz der Mieter. Es gibt insoweit kein kommunales Vorkaufsrecht für Eigentumswohungen. Herr Schmidt würde in einem Rechtsstreit unterliegen.
Wenn man also den Mieter unterstützen möchte, muss man ihn in die Lage versetzen, den Kaufpreis zu zahlen. Damit trägt der Staat dann ein mögliches Insolvenzrisiko des Mieters und erwirbt keinerlei Eigentum.
Im Falle einer Bekannten wäre die Wohnung zum 43fachen der Jahresnettokaltmiete zzgl. Grunderwerbsteuer zu kaufen. Das wäre eine Finanzierungslaufzeit von ca. 60 Jahren in einer Wohnanlage, in der die Deutsche Wohnen voraussichtlich die Mehrheit inne haben wird.
97663 (Profil gelöscht)
Gast
@DiMa Wie auch bei der „Enteignung“ zahlt das Land Berlin in diesem Modell der Mieterprivatisierung die Spekulationsgewinne in voller Höhe. Interessante Art den öffentlichen Haushalt „staatskapitalistisch“ zu ruinieren, wenn diese Strategie für mehr als ein paar Quartiere angewandt würde. Und auch das ist schon teuer genug. Nach welchen Kriterien werden eigentlich die Bestände ausgewählt? Wähleranteile der Linkspartei? Das SPD und Grüne sich so treiben lassen - selber schuld.
chn
etwas mehr infos zum inhalt der vereinbarung wäre in diesem artikel dringend nötig. wofür ist der kredit? wie ändert sich die lage für mieter*innen? was ändert sich für die deutsche wohnen? wer mit dem vorgang nicht vertraut ist, tappt nach der lektüre im dunkeln.
der vage eindruck bleibt, dass der vorschlag für die mieter*innen vorteilhaft ist und die position der firma deutsche wohnen schwächt. was aus einer sicht dringend nötig ist.
vollkommen unverständlich ist mir, wieso ausgerechnet die afd hier hervorgehoben wird. "die häuser denen die drin wohnen" ist eine position die in der tradition von revolutionsforderungen wie landreformen und schuldenerlässen steht. die afd mag sich evtl aus populistischen gründen soziale punkte zu eigen gemacht haben, wird aber von superreichen extrem konservativen am leben gehalten und vertritt letztlich auch deren interessen. (neurechte (anti-)sozialpolitik kann man in österreich und ungarn mit gänsehaut und tränen in den augen betrachten). die politische einordnung des vorgangs als "passt eigentlich nur zur afd" scheint mir total verfehlt.