piwik no script img

Kommentar CDU und MerkelAn der Seitenlinie

Anja Maier
Kommentar von Anja Maier

Wenn das Kind aus dem Haus geht, ist und bleibt man im Herzen bei ihm. Nicht anders wird es Angela Merkel mit ihrer Partei ergehen.

Die Raute der Macht Foto: dpa

A ls Angela Merkel vor vier Wochen in einer historischen Pressekonferenz erklärt hatte, beim Parteitag ihrer CDU nicht mehr als Vorsitzende kandidieren zu wollen, meinten viele Beobachter, bei ihr eine neue Gelöstheit zu erkennen. Geradezu befreit habe die Kanzlerin gewirkt, auch in der Wortwahl. Es sei ihr eine „Herzensangelegenheit“, sagte Merkel an jenem 29. Oktober, ihrer Partei die Freiheit zur Neuaufstellung zu geben.

Was jetzt komme – die Kandidaturen, die Debatten, schließlich die Entscheidung beim Parteitag in Hamburg –, empfinde sie als „sehr schönen Prozess“. Als Phase, an der die Mitglieder und die Delegierten „dann vor allem auch Freude haben sollten“.

Mit Verlaub, aber wenn Angela Merkel gefühlig wird, stimmt was nicht. Seit wann hat diese gut kontrollierte Frau Freude an ergebnisoffenen Prozessen? Zumal an solchen der politisch weitreichenden Sorte?

Der Verdacht liegt also nahe, dass Merkel sich in dieser letzten Phase ihrer Macht autosuggestiv einzureden versucht, dass das mit ihrer CDU, mit der aktuellen Regierung, dem Land und der Europäischen Union schon irgendwie gut gehen wird. Dass sie sich also zur Zurückhaltung zwingt, und zwar gleich ab dem Start in ihre politische Schlussrunde. Gelänge ihr das, würde sie als erste Kanzlerin ohne politische Selbstvergewisserungsattitüde in die Geschichte eingehen. Zuzutrauen wäre es ihr, Merkel ist nicht eitel. Aber leicht wird das nicht.

Eher Uckermark als United Nations

Es könnte ja sein, dass Angela Merkel ihre Partei als eine Art erwachsen gewordenes Kind betrachtet, das man schließlich auch irgendwann loslassen muss, auf dass es seinen Platz in der Welt finden möge. Geradezu mütterliche Gefühle mag die Parteivorsitzende da hegen. Aber im wahren Leben verhält es sich ja auch nicht so, dass man die Haustür öffnet, dem jungen Erwachsenen in die Jacke hilft, ihn wegschickt und sagt: „Mir egal, was aus dir wird, hab einfach vor allem Freude.“

Im wahren Leben begleitet man den Abkömmling noch ein Stück seines Weges. Man hilft dabei, erst mal eine Wohnung und eine Aufgabe zu finden, sich nicht von Versicherungsberatern zuquatschen zu lassen, und wenn es in der Liebe kriselt, macht man zu Hause das Gästebett bereit. Vor allem aber bleibt man miteinander im Gespräch. Wie soll es für dich weitergehen? Was willst du vom Leben? Was möchtest du anders machen? So was.

Im wahren Leben verhält es sich ja auch nicht so, dass man die Haustür öffnet und den jungen Erwachsenen einfach wegschickt

Angela Merkel hat bislang nicht zu erkennen gegeben, dass sie Derartiges vorhätte. „Ich habe keine Sorge, dass mir nix einfällt“, hat sie auf der Rücktritts-Pressekonferenz auf die Frage nach ihren persönlichen Plänen gesagt. Und: „Ich wurde nicht als Kanzlerin geboren, und das habe ich auch nie vergessen.“ Es klang eher nach Uckermark als nach United Nations.

Vielleicht liegt es daran, dass sie selbst all die Jahre das zweifelhafte Vergnügen hatte, von ihrem Vorgänger im Parteiamt wie auch im Staatsamt immer mal wieder ungebetene Ratschläge zu bekommen. Noch vor vier Jahren – Merkel war gerade mit 41 Prozent zum dritten Mal ins Kanzleramt eingeritten –, veröffentlichte Helmut Kohl ein Buch mit dem sprechenden Titel „Aus Sorge um Europa“, Untertitel: „Ein Appell“.

Mit dem Herzen beim Kind

taz am wochenende

Zwei linksextreme Gefährder gibt es in Deutschland. Einen von ihnen haben wir getroffen. Wie er sich gegen die Einstufung der Polizei wehrt, lesen Sie in der taz am wochenende vom 1./2. Dezember 2018. Außerdem: Wie der Springerkonzern Friedrich Merz großmachte. Und: Ein Interview mit dem Schriftsteller T.C. Boyle über angeblich gentechnisch veränderte Babys in China. Ab Samstag am Kiosk, im eKiosk, im praktischen Wochenendabo und bei Facebook und Twitter.

An wen der CDU-Heilige appellierte, war unschwer zu erraten. Sein „Mädchen“ aus Ostberlin, das seiner überlieferten Einschätzung nach nicht einmal „richtig mit Messer und Gabel essen“ konnte, machte eine andere Europapolitik als er. Und sie fragte ihn auch nicht dauernd um Rat. Auf den Fotos von Kohls Beerdigung 2017 erkennt man diese geballte Kohl’sche Herablassung gegenüber dessen Nachfolgerin. Kohls Witwe Maike Kohl-Richter schaut Merkel nicht einmal an, als die ihr kondoliert.

Wenn das Kind aus dem Haus geht, ist und bleibt man im Herzen bei ihm. Es ist schließlich nicht egal, was aus ihm wird: Dealer oder Sozialarbeiter. Nicht anders wird es Angela Merkel mit ihrer Partei ergehen. Aber schlaue Eltern halten sich im Hintergrund, bis sie wieder gebraucht werden. Und das werden sie garantiert.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Anja Maier
Korrespondentin Parlamentsbüro
1965, ist taz-Parlamentsredakteurin. Sie berichtet vor allem über die Unionsparteien und die Bundeskanzlerin.
Mehr zum Thema

13 Kommentare

 / 
  • “Mutti - SIC TRANSIT GLORIA MUNDI

    In der Stube ist es still,



    Weil ganz Deutschland das so will.







    Der Vater seine Pfeife raucht,



    Die Mutter wird nicht mehr gebraucht.



    Sie träumen friedlich vor sich hin,



    Bis Mutti ruft: "Mir fehlt der Sinn!"







    Die Leichtigkeit bedrückt sie sehr.



    "Nirgendwo gibt`s ein Malheur!



    Mein Heli fliegt schon lang nicht mehr!"







    Kein Notruf weckt sie aus der Ruh,



    Und sogar die CDU



    Tut, als sei sie schon erwachsen.







    Mutti rennt sich jahrelang die Haxen



    Ab, sorgt für Unmündigkeit,



    Doch Jungvolk sagt: "Es tut uns Leid."







    So läiuft die Zeit.



    Mensch kennt das schon.



    Undank ist der Welten Lohn.







    P.S. für Age Krüger: Die Uckermark liegt in Brandenburg."

    Zisch mailtütenfrisch -



    &Däh! - tazi kari einsam Klasse



    Galacis-Mutti hitch-hiking mit der Untertasse;))

    • @Lowandorder:

      Zisch - “…& Danke für den Fisch“

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @Lowandorder:

      Seiteneinwurf eines Besserwissis:

      Die Uckermark liegt in Brandenburg UND ... zu kleineren Teilen ... in Meck-Pomm. Wiki hilft.

      Ihre Poesie ist wundervoll. Selbst wenn sie in Teilen geklaut wäre. ;-)

      De ahl Hessebub.

      • @76530 (Profil gelöscht):

        Ok - geb ditte & des Strüffche weiter.

        (Nix Schmock mit andrer Edelfedern.;)



        Gelle.

        • 7G
          76530 (Profil gelöscht)
          @Lowandorder:

          Nicht ohne Grund sprach ich im .... Konjunktiv. Klartext: ich weiß es nicht, traue es Ihnen aber genauso zu wie die schon oft gezeigte eigene Poesie.

          Newahr.

          • @76530 (Profil gelöscht):

            Ja klar - ....würde ist unfaßbar.;))

            unterm--- mit Hägar --



            "Schau an - Poesie kann ich auch*?*



            Liggers - Nich to glöben.;)

            (& Däh!



            Wie uns Ol jümmers in petto hatte:



            "Jung. All lögenhaft to vertelln - ever liggers doch wohr.";))

  • Ich schätze, wenn Merkel auch noch ihren Bundeskanzlerinnen-Job endlich abgeben kann, wird sie, weil sie sich eigentlich nie so richtig für Politik interessierte, in ihre alte Arbeitsstelle als Physikerin zurückkehren oder ein Kartoffelsuppen-Restaurant aufmachen in Mecklenburg-Vorpommern. Vielleicht wagt sie sich ja auch an einen Dorfswingerclub dort ran oder ein privates Atomkraftwerk.



    Schlaganfälle oder kettemrauchemd Zeitungen herauszugeben eignen sich bei ihr imo ebensowenig für den Ruhestand.wie Dauerscheidungen und .-hochzeiten mit Aufsichtsratsposten bei russischen Oligarchen.

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @Age Krüger:

      Privates Atomkraftwerk wäre super.

      Wenn ich mir die illustre Reihe der letzten Bundespräsidenten nach Weizsäckers Richie anschaue, könnte sie doch diese Tradition eindrucksvoll fortsetzen. Ansonsten verfängt sich bei mir so gar keine Fantasie hinsichtlich ihrer weiteren Verwendungsmöglichkeit.

  • Die Frau interessiert mich nicht. Anders als Merz, da steh ich auf den Barrikaden um dagegen anzugehen.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Nach Vollzug ihrer angekündigten Rücktritte dürfte doch bei Frau Merkel ein Job frei sein. Also 2033. Zur großen Feier des deutschen Geistes.

    Anja Maier, übernehmen Sie!

    • @76530 (Profil gelöscht):

      Na - Si’cher dat. Da mähtste nix.

      Bis dahin tut‘se mit Kretsche & Co.



      No! Bede. Newahr & Gellewelle.



      Normal & Dess & Immergriiens -



      “Schleckt so leicht die Geiß net weg.“

      Nu - Ooch wieder wahr - wa!

      • @Lowandorder:

        &! dazu zisch mailtütenfrisch -





        "Aber schlaue Eltern halten sich im Hintergrund, bis sie wieder gebraucht werden.







        Und das werden sie garantiert."



        Ich hoff`, dass sich Frau Maier ie'rrt.







        "Lassen Sie mich durch! Ich bin Mutter!" (by Anja Maier)"

        &Däh!&Dess - eh ich nochens r'eier:



        “Obwohl ich mich normal nicht zu sexistischen Fottos auf klein Fritzchen Niveau im - Vormerz äußer…"



        Stimme zu & Räusper Räusper - Tusch!

        “Einen Menschen namens Meier



        Schubst man aus des Hauses Tor,



        Und man spricht, betrunken sei er;



        Selber kam's ihm nicht so vor.…"

        Wußte - klar - schon der olle Busch.;)



        gutenberg.spiegel....-haarbeutel-4147/3 - “…&'dankbar.…"



        Ps Sie! - Ähnlichkeiten mit noch lebenden Personen - sind rein zufällig.



        No! Aber beabsichtigt. Wollnichwoll.



        Normal.

  • "Aber schlaue Eltern halten sich im Hintergrund, bis sie wieder gebraucht werden. Und das werden sie garantiert."

    Wer Frau Merkel für "gebraucht" erachtet, sollte sich Europa AD 2005, am Anfang ihrer Kanzlerschaft, und 13 Jahre später anschauen. Scherbenhaufen an dem der deutsche Hammer in Form einer Raute nicht ganz unschuldig war...