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Mit Flutlicht gegen VerbrechenWer hat Angst vor dunklen Ecken?

Im Hamburger Schanzenpark und am Bremer Bahnhof sollen mit Licht vermutet kriminelle Elemente vertrieben werden – wegen des „Sicherheitsgefühls“.

Wild romantisch, aber viel zu gefährlich: der Hamburger Schanzenpark mit Wasserturm-Hotel Foto: Miguel Ferraz

Hamburg taz | Man muss nicht gleich von einem Schill-Effekt sprechen. Aber wenn irgendwo im Norden die Angst umgehen dürfte vor zu viel Angst – der in den Köpfen und Herzen der sogenannt ganz normalen Leute –, dann in der Hamburger SPD. Die musste 2001 die Macht aus der Hand geben, nach knapp viereinhalb Jahrzehnten.

Es folgte eine bürgerliche Regierungskoalition der postmodernen Art mit Ole von Beust als großstädtisch-liberalem CDU-Bürgermeister von rechtspopulistischen Gnaden. Die Mehrheit nämlich beschaffte der eingangs genannte Ex-Richter Ronald B. Schill mit seiner „Partei Rechtsstaatlicher Offensive“.

Wesentlich für den Erfolg dieses Polit-Hasardeurs war, wie gut er die Klaviatur kleinbürgerlichen Unbehagens zu bespielen wusste: Mal mehr, mal weniger von der Wirklichkeit gedeckt, beschwor er einen drohenden Kollaps von Recht und Ordnung, bemühte mal mehr, mal weniger wahre Kriminalitätszahlen und kitzelte unbekümmert die Angstlust eines auf dem Boulevard in Autoritätsglauben geschulten Publikums.

Die vielleicht allzu lange allzu selbstgefällig der Macht sich sicher wähnende SPD kam daran nicht mal vorbei, indem sie auf den letzten Wahlkampfmetern noch einen neuen Innensenator installierte, einen roten Gegen-Hardliner sozusagen – einen gewissen Olaf Scholz. Der 1995 vom Briten Tony Blair geprägte Ausspruch, Recht und Ordnung, das sei Sache seiner Labour Party, verfing nicht mal mehr im sich so anglophil vorkommenden Hamburg.

Polit-Hasardeure im Laternenschein

All das mag den SPD-Granden im Kurt-Schumacher-Haus – der örtlichen Parteizentrale – kürzlich wieder sehr aktuell erschienen sein: Im Frühjahr erschien, erst mal eine Nummer kleiner, wieder so ein betont politik­apparatsfremd sich gebender Jurist auf der Bildfläche. Und setzte auf ein Thema, das auch Schill schon zu melken verstanden hatte: Den angeblich eskalierenden Drogenhandel im Schanzenpark solle die Politik beenden, forderte nun also dieser Rechtsanwalt – andernfalls werde er per Bürgerbegehren den Volkszorn von der Kette lassen.

Der taz sage er jetzt, man habe ihn bloß missverstanden, und wenn auch längst nicht alles, was ihm vorschwebte, am Ende Widerhall gefunden hat, so kann der Mann doch einen Erfolg verbuchen: Zumindest die heutigen Oppositionsparteien – die einst mit Schill im ausschließlich sprichwörtlichen Bett lagen – machten sich seine Ideen zu eigen. Und die tatsächlich Verantwortlichen nahmen, nach anfänglichem Drucksen und Zögern und Hinweisen auf diese und jene Technikalität, dann doch ein bisschen Geld in die Hand – gerade erst bewilligte man die Mittel für etwas mehr Licht wider die ach so dunklen Geschäfte im Park.

Das aber ist ein echter Klassiker unter den pseudo-einleuchtenden (!), zuallererst dann aber doch symbolischen Moves konjunkturgetriebener Politikschaffender, längst nicht nur in Hamburg oder Bremen. Dass mehr Licht unerwünschtem Treiben ein Ende setzt, es zumindest verringert oder auch bloß aus der öffentlichen Wahrnehmung vertreibt: So plausibel das klingt, so wenig ist es auch belegt.

Mindestens seit dem 19. Jahrhundert aber lässt sich der Glaube an einen Zusammenhang von Licht und Sicherheit nachweisen, da kann empirische Sozialforschung noch so oft ihre Zweifel anmelden; 2015 erst kamen britische Wissenschaftler einmal mehr zu dem Schluss: Aus Kostengründen gedimmte, in ihrer Anzahl reduzierte oder gleich ganz eingesparte Straßenlaternen haben keine eindeutigen Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit, geschweige denn die Kriminalität.

Freilich sind Tatsachen – wie etwa auch die regelmäßigen Kriminalitätsstatistiken – das Eine, die gefühlte Wirklichkeit aber ist ein Anderes. Einen Zusammenhang von „Unsicherheitsgefühlen im öffentlichen Raum“ und „Dunkelheit und Verlassenheit“, den gibt es eben doch, schreiben etwa Diana Ziegleder, Dominic Kudlacek und Thomas Fischer 2011 in der Schriftenreihe des interdisziplinären „Forschungsforums Öffentliche Sicherheit“ der FU Berlin – allerdings unter Hinweis auch auf ganz andere Faktoren: „Mit zunehmendem Alter steigt bei männlichen Befragten die Häufigkeit vermeidender Schutzmaßnahmen, was – ebenso wie bei älteren Frauen – auch mit Entfremdungsprozessen und Ressentiments gegenüber dem sozialen Wandel in Zusammenhang steht.“

Ein paar Lumen mehr sind auch keine Lösung

Ist der Hamburger Park mit dem markanten, zum Hotel gemachten alten Wasserturm darin nun zum „Angstraum“ geworden, wie es mancher wahrnimmt – in auffälliger Anlehnung an entsprechende Diskussionen um den Görlitzer Park in Berlin-Kreuzberg?

Nehmen wir mal an, es ist so: Muss dann nicht auch gesprochen werden von anderen Parallelen zwischen den beiden einst als alternativ gelesenen Quartieren um diese Grünanlagen herum, von Veränderung und Verdrängung, von Touristenströmen und Betongeld-Investitions-Hype? Von Verunsicherungen also, die ihrerseits Angst machen – und denen sich nicht einfach beikommen lässt mit ein paar Lumen mehr.

Den ganzen Schwerpunkt der taz nord zum Thema Kriminalitätsbekämpfung mit Licht lesen Sie in der taz am Wochenende am Kiosk oder hier.

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5 Kommentare

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  • Ich als Fussgaenger haette auch gern mehr Licht. Weniger wegen Angst vor Kriminalitaet, eher weil ich gerne sehe wo ich hinlaufe - und zu viele Fusswege sind einfach zu schlecht beleuchtet. Und uebrigens nicht nur Fusswege in Parks oder so, sondern oft auch die Fusswege an Strassen. Dort konzentriert sich die Beleuchtung fast immer auf die Fahrbahnen, obwohl die Autos selber Lichter haben und durch staerkere Beleuchtung nur schneller Fahren.

  • „Mehr Licht!“ sollen Goethes letzte Worte gewesen sein. Den Hamburger Schanzenpark hatte er damit aber sicher nicht gemeint. Die Ecke ist ansich nicht gefährlicher, als jede andere Ecke in Hamburg sonst auch. Eine erhöhte Gefahr für Passanten geht da allenfalls von bewaffneten Polizeipatroullien aus.

  • Man muss das mal so sehen:

    Das beste Mittel gegen Forderungen von Maßnahmen zur Einhegung von Angst ist, ängstlichen Menschen abzusprechen, dass ihre Angst berechtigt ist.

    Dann muss man nichts machen, die sind halt überempfindlich und es ist Hysterie, eigentlich gibt es keinen Grund dazu, Angst zu haben. Das Problem wird also auf die individuelle Ebene und auf eine Anolamie (oder gar Pathologie) des Betreffenden zurückgeführt. Und vielleicht funktioniert es ja: Angst zu haben ist unnormal und ungerechtfertigt, nun habe dich mal nicht so, reiß dich zusammen. So eine Aufforderung kann ja wirklich manchmal die beabsichtigte Wirkung haben.

    Etwas gegen die von den ängstlichen ausgemachten äußeren Ursachen ihrer Angst zu unternehmen führt bei dieser Perspektive aber relativ schnell dazu, dass Maßnahmen gegen diese äußeren Ursachen als "Einknicken" vor der Angst verstanden wird, was man nicht tun dürfe, weil sonst "die Angst gewinnt".

    Ich finde das zu ideologisch. Es ist von Einzelfall zu Einzelfall auch mal sinnvoll, etwas gegen von Betroffenen wahrgenommene äußere Ursachen der Ängste zu unternehmen. Denn nicht jede Angst ist ungerechtfertigt und nicht jede Angst verschwindet, wenn man sie als ungerechtfertigt wegredet. Und es spielt auch eine Rolle, wie viele Menschen eine spezifische Angst (hier Unsicherheitsgefühl) haben.

  • 8G
    83421 (Profil gelöscht)

    Mehr Licht gibt mehr (gefuehlte?) Sicherheit. Also warum nicht? Was wird schlechter dadurch?

    • @83421 (Profil gelöscht):

      So isses. Der Kommentar liefert zwar viel Wortgeklingel, gibt aber keine Antwort auf die Frage: was tun? Natürlich hat der Drogenhandel dort zugenommen. Und natürlich fühlen sich manche Menschen (z.B. ich) unsicherer als andere (z.B. der Autor), wenn sie im Dunklen aus Büschen heraus angezischt werden, während sie den Park durchqueren, um zur U-Bahn zu kommen.