piwik no script img

Armutskonferenz legt Bericht vorArm trotz Arbeit

Sozialverbände kritisieren: Trotz Job sind viele Menschen in Deutschland auf Hartz IV angewiesen. Doch viele schämen sich, Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Armut fängt nicht erst bei Wohnungslosigkeit an Foto: dpa

Berlin taz | Armut ist traurige Realität in Deutschland – auch für viele Menschen in Beschäftigung. 9,6 Prozent aller Erwerbstätigen können von der eigenen Arbeit nicht leben.

Das geht aus dem Schattenbericht zur Armut in Deutschland hervor, den die Nationale Armutskonferenz (NAK) am Mittwoch anlässlich des Internationalen Tags zur Beseitigung der Armut vorgelegt hat.

„Obwohl die Arbeitslosigkeit in Deutschland in den letzten Jahren stark zurückgegangen ist, trifft dies nicht auf Armut zu“, sagte Erika Biehn, Betroffenenvertreterin der NAK. Das Phänomen „arm trotz Arbeit“ sei eines der drängendsten Probleme in Deutschland. Der Anteil derjenigen, die Anspruch auf Hartz IV hätten und diesen aus Scham nicht in Anspruch nehmen, sei noch wesentlich höher, sagte Biehn.

„Prekäre Beschäftigung schafft Unsicherheit, führt in Alters­armut und behindert die Lebensplanung“, sagte NAK-Sprecherin Barbara Eschen. Das Bündnis fordert von der Bundesregierung eine „aktive Politik der Armutsbekämpfung“. Prekäre Beschäftigungsverhältnisse müssten stärker in reguläre Beschäftigung umgewandelt werden. „Minijobs ermöglichen in der Regel keinen Einstieg in gute Arbeit, sondern sind berufliche Sackgassen mit mangelnden Perspektiven“, so Eschen.

Höhere Grundsicherung und höherer Mindestlohn muss her

Am Dienstag hatte bereits der Sozialausschuss der Vereinten Nationen seine Empfehlungen an die deutsche Bundesregierung veröffentlicht. Die UN schätzt die Zahl der prekär Beschäftigten in Deutschland sogar auf 14 Millionen.

Als prekär beschäftigt gelten demnach alle Personen mit Minijobs, Zeitarbeitsverträgen, befristeten Arbeitsverträgen, sowie Zeitarbeiter, aber auch alle Menschen, die in Teilzeit arbeiten. Man sei darüber hi­naus besorgt, dass der Hartz-IV-Regelsatz für einen angemessenen Lebensstandard nicht ausreiche, heißt es in dem UN-Bericht – auch wegen der steigenden Mieten. Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum trifft laut NAK besonders arme Haushalte. Zu einem effektiven Kampf gegen Armut gehörten eine Erhöhung der Grundsicherung, ein höherer Mindestlohn und mehr Sozialwohnungen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Der durchschnittliche Wohlstand in Deutschland ist im internationalen Vergleich sehr hoch, wenn man ihn z.B. am durchschnittlichen Vermögen pro Kopf bemisst. Dieses lag 2017 bei ca. 200.000 US$ . Siehe de.wikipedia.org/w..._Vermögen_pro_Kopf

    Auf der anderen Seite gibt es eine extreme (auch im europäischen Vergleich) Vermögenskonzentration zugunsten der Reichsten der Bevölkerung. So haben die reichsten 3% der Deutschen etwa das gleiche Vermögen wie die restlichen 97%.



    Siehe



    de.wikipedia.org/w...ung_in_Deutschland

    Ich würde mir wünschen, daß dies in der Öffentlichkeit bekannter würde, mein Eindruck ist nämlich, über das Thema wird bewusst geschwiegen.

    Dann sollte auch klarer werden, daß die sozialen Regeln in Deutschland geändert werden sollten und es dazu auch einen großen Spielraum (Vermögenssteuer, Erbschaftssteuer, Abschaffung Hartz IV...) gibt.

    • @shashikant:

      ... Gut, Hartz 4 bzw. das ÄLG 2 abschaffen. Und ein bedingungsloses Grundeinkommen einführen.