Gastkommentar Zukunft der SPD: Nö, die Sozis braucht keiner
Was wäre eigentlich, wenn sich die SPD auflösen würde? Im Gedankenspiel unseres Gastkommentators gäbe es keine dramatischen Erschütterungen.
E ine altehrwürdige Partei kann sich eigentlich nicht auflösen. Schon das Interesse an sich selbst gebietet es, das Parteileben erneuernd zu verlängern. Aber lassen wir uns dennoch auf das Gedankenexperiment ein: Ein mutiger Juso-Vorsitzender Kevin Kühnert und zwei stellvertretende Vorsitzende stellen im Parteivorstand den Antrag, eine Mitgliederbefragung darüber herbeizuführen, ob und wie die SPD mit ihrer Zukunft umgehen soll. Sie stellen den Antrag, weil sie unter Andrea Nahles keine wirkliche Parteierneuerung erblicken. Die eine Variante wäre die Auflösung. Die andere ein substanzielles Reformprogramm.
Der Vorschlag führt zur Zerreißprobe in der SPD. Nostalgische Verklärung folgt: Die mutige Wels-Rede gegen die Nazis 1933, Ernst Reuters Aufruf an die „Völker der Welt“ im bedrängten Berlin, die Ostpolitik Brandts, die Globalisierungspolitik Schmidts. Aber das kann den aktuellen Blick auf eine desolate SPD nicht verstellen, die praktisch nichts zu sagen hat zu aktuellen Problemen.
Die SPD beschließt also das Unwahrscheinliche: die Auflösung. Der Parteiapparat ist geschockt, die Gewerkschaften sind sprachlos. Es setzt eine Debatte um eine USPD neuen Typs ein. Die Sammlungsbewegung der Linken um Lafontaine und Wagenknecht taucht als „Partei der Gerechtigkeit“ (PDG), als linke „En marche“-Bewegung auf. Einige prominente Sozialdemokraten heuern bei den sozialen Bewegungen an.
Einige treten zur Linken über, die meisten SPD-Mitglieder aber ziehen sich ins Private zurück. Eine Demokratiedebatte wird in der Öffentlichkeit geführt. Sie flaut nach wenigen Wochen ab. Die Auflösung der SPD führt zu keiner dramatischen Erschütterung der Gesellschaft. Aber auch die Zivilgesellschaft aus Greenpeace, Campact und Co scheint dadurch nicht gestärkt.
Seien Sie beruhigt. Die SPD wird sich nicht auflösen, sondern sich als 12-Prozent-Partei mit einer großen Tradition etablieren. Glut unter der Asche. Nach der Bayern- und der Hessenwahl ist zu befürchten, dass selbst die Glut erlischt.
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