Kolumne Wir retten die Welt: Der Suchmaschinen-Klimazauber
Ein Google-Rivale will Bäume für Suchanfragen pflanzen. Doch die Kompensation von Klimaschäden hat auch Tücken.
L iebe Leser*innen, noch nie war diese Kolumne so kurz davor, ihr Versprechen in die Tat umzusetzen. Wir retten die Welt. Das können wir jetzt erledigen, quasi nebenbei. Denn ich habe eine tolle Sache entdeckt. Die Alternativ-Internetsuchmaschine Ecosia sagt, sie würde pro Suchanfrage auf ihrer Seite durchschnittlich ein Kilogramm klimaschädliches Kohlendioxid aus der Erdatmosphäre ziehen. Das funktioniert so: Man tippt seine Suchbegriffe nicht bei Google ein, sondern bei Ecosia.
Unternehmen schalten dort Werbeanzeigen. Die Einnahmen investiert die Firma zum guten Teil in Neuanpflanzungen von Bäumen rund um den Globus. Die holen CO2 aus der Luft. So viel, dass nicht nur der Stromverbrauch der Suchmaschine und ihrer Server neutralisiert wird, sondern die Luft insgesamt sauberer wird.
Faszinierend. Wenn ich mit meinem Wagen 10.000 Kilometer pro Jahr fahre, verursache ich beispielsweise 1.500 Kilogramm CO2-Ausstoß. Weil Ecosia ein Kilo pro Suchanfrage neutralisiert, brauche ich 1.500 Anfragen, und meine Abgase sind weg. Nach 30 Tagen mit jeweils 50 Anfragen sollte ich es geschafft haben.
Demnächst will ich nach Accra in Ghana fliegen. 2.500 Kilogramm CO2 fügt dieser Flug meinem Klima-Sündenregister hinzu. Aber kein Problem: 50 Tage mit jeweils 50 Suchanfragen, und ich wasche meine Hände in Unschuld.
Es klingt wie Zauberei. Man kann den Spritverbrauch seines Landrovers mit Allradantrieb neutralisieren, indem man sich im Netz ausgiebig über dieses Auto informiert und die nächste Alpenüberquerung plant. Geradezu elegant ist das. Das müsste ich dem IPCC mitteilen, den Klima-Wissenschaftlern der Vereinten Nationen. Die fordern eine Politik, um nicht nur weniger Abgase in der Atmosphäre abzuladen, sondern auch welche rauszuholen.
Kein „Ablasshandel“
Diese Ecosia-Geschichte ist doch aber Quatsch, sagen Sie? Fachleute bestätigen, dass ich mich nicht verrechnet habe. Manche Probleme scheinen sich tatsächlich von alleine zu lösen. Plopp. Weg. Abends schlechte Laune. Morgens aufgewacht – gute Laune.
Bald heißt es nicht mehr „googeln“, sondern „Ecosier das mal“. Wo ist der Fehler? Nachfrage bei Ecosia. Meine Rechnungen seien „korrekt“, antwortet die Firma. Dennoch wolle man „diese Denke“ nicht unterstützen. Man betreibe keinen „Ablasshandel“. Wer das Klima schützen möchte, solle Zug fahren, anstatt zu fliegen. Trotzdem rühmt die Firma sich ihrer Super-Duper-Klima-Leistung und schreibt: „Wäre Ecosia so groß wie Google, könnten wir genügend Bäume pflanzen, um 15 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen zu binden!“
Und das alles aus einem Hinterhof in Berlin-Neukölln. Das Problem steckt wahrscheinlich in den Bäumen. 38 Millionen Pflanzen weltweit kann man schwer im Blick behalten. Vielleicht sind viele schon als Brennholz geendet.
Aus solchen Gründen pflanzt Atmosfair, eine andere Kompensier-Organisation, keine Bäume. Dort kann Geld einzahlen, wer Flüge neutralisieren möchte. Damit baut Atmosfair beispielsweise Solar- und Windkraftwerke. Ob die wirklich arbeiten, lässt sich einfacher überprüfen als Bäume.
So oder so ist das Kompensieren von Klimaschäden eine merkwürdige Sache. Ich verursache hier ein Problem, das irgendjemand ganz woanders auf der Welt behebt. Der Weg dazwischen erscheint verdächtig theoretisch.
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