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Bündnis sammelt für gute Pflege

Mit einem Volksbegehren für bessere Pflege möchten Pflegekräfte und Ver.di den Personalstand in Bremens Krankenhäusern erhöhen. Dafür sammelt das „Bündnis für mehr Krankenhauspersonal“ nun Unterschriften

Wirbt um Unterschriften für ein Volksbegehren: das „Bündnis für mehr Krankenhauspersonal“ Foto: Gareth Joswig

VonGareth Joswig

Krankenschwester Ariane Müller hat hautnah miterlebt, wie in den vergangenen Jahrzehnten vieles in der Pflege schlechter wurde. Seit Einführung der Fallpauschalen vor zehn Jahren sei es noch einmal schlimmer geworden: „Wir haben die Schnauze voll“, sagt Müller, die seit 1981 als Krankenschwester auf der Intensivstation des Klinikums Bremen Mitte arbeitet, „das Pflegepersonal ist physisch und psychisch am Ende“.

Ältere Kolleg*innen flüchteten sich in Teilzeit, jüngere suchten sich gleich einen neuen Beruf. Ihre Arbeit sei nur noch Fließbandpflege, Zeit für Pausen gebe es kaum, den Toilettengang verkneife man sich bis zum letzten Moment. Müller will gar nicht wissen, wie oft angesichts von Zeitmangel im Krankenhaus die Hygiene auf der Strecke bleibt.

Und weil Müller, selbst Betriebsrätin ihres Krankenhauses, nicht weiter zugucken will, wie immer mehr Kolleg*innen einen Burn-out bekommen, hat sie das „Bündnis für mehr Krankenhauspersonal“ gegründet. Mit dem Volksbegehren „Für mehr Krankenhauspersonal“ will es nun politischen und gesellschaftlichen Druck auf die Handelnden aufbauen.

Am Dienstag stellte das Bündnis sein wichtigstes Ziel vor: einen ausreichenden Personalschlüssel im Bremischen Krankenhausgesetz. Dazu gehören nach Ansicht des Volksbegehrens feste Vorgaben für eine jährliche Personalplanung unter Berücksichtigung des erfahrungsgemäßen Krankenstandes, höhere Fachkräftequoten, jährliche, transparente Kon­trollen und Sanktionsmöglichkeiten, wenn Vorgaben nicht eingehalten werden.

Zusammen mit der Gewerkschaft Ver.di, dem Verein demokratischer Ärzt*innen, dem Betriebsrat der landeseigenen Krankenhausgesellschaft Gesundheit Nord (Geno) und der Linken will Müller Unterschriften für das Volksbegehren sammeln. Ab Samstag, den 27. Oktober, kann man unterschreiben.

Für einen Antrag auf die Zulassung eines Volksbegehrens braucht das Bündnis zunächst 5.000 Unterschriften – im nächsten Schritt benötigt die Initiative noch einmal 25.000 Unterschriften, damit sich Bremens Bürgerschaft tatsächlich mit dem Entwurf für das neue Pflegegesetz auseinandersetzen muss. In Hamburg, Berlin und Bayern hat es ähnliche Volksbegehren zur Verbesserung der Pflege gegeben. Diesen Beispielen wollen die Akteur*innen in Bremen nun folgen.

„Wir sind unterbesetzt, bitte reduzieren Sie die Notrufe“

Kolportierte Krankenhaus-Durchsage

Dazu gibt es auch hier einigen Anlass: 1.600 Stellen fehlen in Bremens Krankenhäusern laut Ver.di-Gewerkschaftssekretär Jörn Bracker. Eine Studie des Senats kam im Mai zu dem Schluss, dass im Gesundheitssektor bis 2035 rund 3.500 Fachkräfte fehlen werden, 2.600 davon in der Pflege. „Wir brauchen bundeseinheitliche Personalverordnungen auf Basis wissenschaftlicher Standards“, sagt Bracker. Die von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) gesetzlich angestrebte Untergrenze für Pflegekräfte gehe nicht weit genug. Der Fachkräftemangel sei am besten mit verbesserten Arbeitsbedingungen zu bekämpfen.

Der Start des Volksbegehrens stieß auf große Resonanz: Pflegekräfte, Ärzte und ein Patientenfürsprecher kamen zur Präsentation. Pauline Wildenauer vom Verein demokratischer Ärzt*innen stand an der Seite der Pflegekräfte und sagte: „Ich wollte als Ärztin auf Basis von Wissenschaft mit Menschen arbeiten. Das funktioniert nicht ohne Hilfe gut ausgebildeter Pflegekräfte.“ Teilweise sei die Besetzung aber so schlecht, dass eine gute Versorgung nicht mehr möglich sei.

Ein Patientenfürsprecher berichtete von einem aktuellen Vorkommnis aus einem Klinikum in Bremen. Dort habe es die Durchsage gegeben: „Wir sind unterbesetzt, bitte reduzieren sie die Notrufe.“

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