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das portraitWarschaus neuer Bürgermeister Rafał Trzaskowski lacht zuletzt

Foto: Kacper Pempel/reuters

Spötter nannten sie „Rafals Bank“, im Internet kursierten bissig-satirische Zerrbilder einer blauen Parkbank in Polens Hauptstadt Warschau, auf wandernden Saharadünen oder als Bierschubkarre. Die Idee von Rafał Trzaskowski, mit seiner Parkbank Wahlwerbung zu machen, sie immer wieder an einem anderen Ort Warschaus aufzustellen und dort – gewissermaßen téte à téte – mit Wählern ins Gespräch zu kommen, löste bei seinen politischen Gegnern von der rechtsnationalen PiS wahre Lachsalven aus.

Am Sonntagabend war es mit dem Lachen vorbei. Denn der 46-Jährige mit dem Dreitage-Bart und dem jungenhaften Grinsen hatte Nachwahlbefragungen zufolge aus dem Stand die Kommunalwahlen gewonnen. Mit 54,1 Prozent der Stimmen wird der Liberalkonservative in Warschau neuer Stadtpräsident werden. Auch wenn das endgültige Wahlergebnis erst am Mittwoch- oder Donnerstagabend vorliegen wird, ist ihm der Sieg kaum noch zu nehmen. Zu deutlich ist der Abstand zu dem Nationalpopulisten Patryk Jaki von der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS), der gerade mal 30,9 Prozent der Stimmen holte.

Für Trzaskowski, der schon Europa-Abgeordneter war, Minister für Verwaltung und Digitalisierung und Staatssekretär für europäische Angelegenheiten, ist dies ein Karrieresprung, der ihm den Weg nach ganz oben ebnen könnte. Denn der Oberbürgermeisterposten in Warschau ist der prestigeträchtigste in ganz Polen. Er wird mächtiger sein als manch ein Minister.

Dabei ist Trzaskowski ein spät Berufener, wie er selbst sagt. Zwar interessierte es sich schon als Jugendlicher für Politik, doch strebte er zunächst eine wissenschaftliche Karriere an, studierte in Warschau Politologie und Anglistik, promovierte nach Studienaufthalten in Oxford und Paris über die „Dynamik der Reform der Entscheidungsfällung in der Europäischen Union“ und wurde zunächst Dozent an zwei Privathochschulen in Warschau. Doch die politische Praxis reizte ihn dann doch so sehr, dass er von 2009 bis 2013 ein Mandat im EU-Parlament übernahm und im März 2017 Vize-Vorsitzender der Europäischen Volkspartei wurde. 2015 wurde er dann als Abgeordneter ins polnische Parlament gewählt. Dieses Mandat muss er jetzt aufgeben.

Trzaskowski entstammt einer berühmten Künstlerfamilie. Sein Vater Andrzej Trzaskowski war ein begnadeter Jazzpianist, der auch komponierte, das Radio und Fernsehorchester Polens leitete. Über die Mutter hat Trzaskowski auch enge Familienbindungen an Krakau. Hier lernte er die Künstlerszene rund um den Kabarettkeller „Bei den Widdern“ kennen. Als achtjähriges Kind spielte der kleine Rafał in der Fernsehserie „Unser Hinterhof“ mit.

Als ihn zu Ende des Wahlkampfes seine Gegner hämisch fragten, wo denn die blaue Parkbank abgeblieben sei, antwortete er verschmitzt: „In unserem Hinterhof.“ Und zeigte dann ein Foto, auf dem er mit seiner Frau und den beiden Kinder auf der Bank saß. Alle höchst vergnügt. Gabriele Lesser, Warschau

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