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Ausmisten in Angola

Präsident João Lourenço geht immer resoluter gegen die mächtige Familie seines Vorgängers José Eduardo dos Santos vor. Die bereicherte sich an der lukrativen Ölwirtschaft des Landes. Jetzt steht das Land vor dem Ruin

Ihm stehen die Schulden, die er gar nicht selber gemacht hat, bis zum Hals: Angolas Präsident João Lourenço beim China-Afrika-Forum in Peking im September Foto: Ju Peng/imago

Von François Misser, Brüssel

„Der traut sich was“ – so lauteten in Angola die Reaktionen, nachdem am 24. September auf Betreiben des Präsidenten João Lourenço einer der einst mächtigsten Männer des Landes verhaftet wurde; José Filomeno, genannt „Zenu“, Sohn des Expräsidenten José Eduardo dos Santos, der vergangenes Jahr nach 38 Jahren an der Macht nicht mehr zur Wahl angetreten war.

Denn die Verhaftung ist maßgeblich auf den neuen Präsidenten zurückzuführen, der der Justiz freien Lauf gelassen hat. Ursprünglich hatte Großbritanniens National Crime Agency, zuständig für den Kampf gegen das organisierte Verbrechen, Angolas Staatsanwaltschaft alarmiert: Angolas souveräner Ölfonds FDSEA, bis Anfang dieses Jahres von José Filomeno geleitet, hatte 500 Millionen US-Dollar auf ein privates Konto Filomenos bei einer Londoner Filiale der Bank HSBC überwiesen.

Den Ermittlungen zufolge haben Zenu und sein angolanisch-schweizerischer Geschäftspartner Jean-Claude Bastos de Morais mehrere Milliarden US-Dollar aus dem Fonds abgezweigt – zwischen 2012 und Januar 2018, als Zenu vom neuen Präsidenten als Fondschef abgesetzt wurde. Jetzt sind sie beide in Luanda in Haft.

Noch 2016 hatte sich José Filomeno Hoffnungen gemacht, auf seinen Vater Eduardo dos Santos, seit 1979 im Amt, als Staatschef zu folgen. Aber der Vater entschied sich stattdessen für seinen Verteidigungsminister João Lourenço als Nachfolger. Der trat bei den Wahlen im August 2017 für die regierende Exbefreiungsbewegung MPLA (Angolanische Volksbefreiungsbewegung) als Spitzenkandidat an und siegte mit 61 Prozent der Stimmen. Seitdem führt er Säuberungen in ungeahntem Ausmaß aus. Es geht um die korrupte Ölwirtschaft, die sich in Angolas Machtelite in den vergangenen Jahrzehnten etabliert hatte, als Angola zu einem der größten Ölförderer Afrikas aufstieg und jedes Jahr Milliardensummen in das bitterarme Land flossen.

Expräsidententochter Isabel dos Santos, die reichste Frau Afrikas, wurde im November 2017 als Chefin der staatlichen Ölgesellschaft Sonangol gefeuert, im Dezember löste die staatliche Diamantenfirma Endiama ihre Partnerschaft mit der in Malta basierten Victoria Holding, in der Isabel dos Santos Anteile hält. Und im Januar 2018 verlor Expräsidentensohn José Filomeno seinen Chefposten beim staatlichen Ölfonds. Damals gab es Kritik, dass diese Personen zwar Posten verloren, aber ansonsten straffrei blieben; dies ändert sich jetzt aber.

Während José Filomeno jetzt ein Prozess droht, verliert Isabel dos Santos allmählich ihr Wirtschaftsimperium. Per Präsidialdekret wurde im Juli ihr Unternehmen Niara Holding aus dem chinesisch geführten Konsortium entfernt, das für 4,5 Milliarden US-Dollar den Staudamm Caculo Cabaça am Kwanza-Fluss bauen soll. Atlantic Ventures, ein weiteres Unternehmen aus ihrem Reich, verlor im gleichen Monat den 1,7 Milliarden US-Dollar umfassenden Vertrag zum Management des Hafens Barra do Dande nördlich der Hauptstadt Luanda.

Anders als vom Dos-Santos-Clan dargestellt, handele es sich bei all diesen Maßnahmen nicht um eine Vendetta gegen die einst mächtigste und reichste Familie Angolas, meint der belgische Consultant Daniel Ribant. Sie fügen sich vielmehr in eine größere Kampagne zur Sanierung der Wirtschaft ein, die seit dem Verfall der Ölpreise in der Krise steckt. Angolas Devisenreserven sind zwischen 2014 und Anfang 2018 von 28 auf 12,8 Milliarden US-Dollar geschrumpft, die Auslandsschulden liegen bei schwindelerregenden 77,3 Milliarden Dollar – mit China als größtem Gläubiger.

Angolas Auslandsschulden: 77,3 Milliarden Dollar – mit China als größtem Gläubiger

Chinas Kredite wurden in den Zeiten hoher Ölpreises mit Öl als Sicherheit vereinbart, so dass ein Großteil der Öleinnahmen, die 95 Prozent der Deviseneinnahmen des Landes ausmachen, jetzt in den Schuldendienst fließt. Die Ölförderung dürfte derweil bis 2023 nach amtlichen Prognosen um 36 Prozent schrumpfen.

So ist die Priorität der Regierung jetzt, Geld zusammenzuhalten. Am 1. Oktober wurden Überweisungen aus Angola in Steuerparadiese verboten, die ein enormes Ausmaß erreicht hatten. Ein Gesetz vom Mai ordnet die Repatriierung von Guthaben auf angolanischen Privatkonten im Ausland an, deren Gesamthöhe die Zentralbank auf 30 Milliarden US-Dollar schätzt – ein Drittel des Bruttoinlandsprodukts. Die Zentralbank hat alle Banken angewiesen, bei Transaktionen von Angolanern mit dem Ausland den realen Wert der erworbenen Güter zu prüfen, um Geldwäsche durch überhöhte Rechnungen zu stoppen.

Die Reformschritte des neuen Präsidenten werden allgemein gelobt, auch von der Oppositionspartei und früheren Rebellenbewegung Unita (Nationale Union für die totale Unabhängigkeit Angolas). Dass der Leichnam des 2002 im Bürgerkrieg getöteten Unita-Führers Jonas Savimbi noch dieses Jahr exhumiert und endlich würdig in seinem Geburtsort beigesetzt werden soll, versöhnt die Unita zudem erstmals seit ihrer militärischen Niederlage im Bürgerkrieg mit der MPLA.

Doch um sich abzusichern, muss Präsident Lourenço die Macht zunehmend in den eigenen Händen konzentrieren, warnt Alex Vines, Direktor des britischen Thinktanks Chatham House. So wurde Lourenço am 8. September auch MPLA-Vorsitzender, mit 98,6 Prozent der Stimmen auf einem Parteitag. Expräsident dos Santos hatte eigentlich diesen Posten behalten wollen, um seinen Einfluss auf Angolas Politik nicht völlig einzubüßen, und vergeblich eine Verschiebung des MPLA-Parteitages angestrebt. Als neuer Parteichef entließ Lourenço sofort das halbe Politbüro und holte neue Kader ohne Beziehungen zum Dos-Santos-Clan.

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