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Doppelmord vor Gericht

Ein 34-Jähriger erstach seine Ex-Partnerin und ihr Kind am Jungfernstieg. Prozess beginnt mit Geständnis

Die Tat sorgte für großes Aufsehen, auch weil die AfD den Vorfall für ihre Zwecke nutzte

Von Marthe Ruddat

Vor dem Landgericht Hamburg hat am Donnerstag der Prozess gegen einen 34-jährigen Mann begonnen, der seine Ex-Partnerin und die gemeinsame einjährige Tochter im April am Jungfernstieg erstochen hat. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten M. zweifachen Mord aus niedrigen Beweggründen vor. Demnach habe M. die Tat zur demonstrativen Durchsetzung seiner Besitzansprüche gegenüber dem gemeinsamen Kind begangen. Sowohl die Mutter der Getöteten als auch ihre Schwester und ihre vier weiteren Kinder treten in dem Prozess als Nebenkläger auf. Zu Beginn des ersten Prozess­tages legte der Angeklagte ein Geständnis ab.

Die Tat sorgte für großes Aufsehen, auch weil die AfD den Vorfall für ihre Zwecke nutzte. Nach ihrer Ansicht hätte die Tat verhindert werden können, wenn M. „gesetzeskonform abgeschoben worden“ wäre. Der Angeklagte stammt aus dem Niger und kam 2013 mit der Lampedusa-Gruppe nach Deutschland. Er hatte zum Tatzeitpunkt eine gültige Aufenthaltserlaubnis und war nicht vorbestraft.

M. und die getötete Frau waren getrennt. Er hatte das gemeinsame Sorgerecht für die Tochter beantragt. Einen Tag vor der Tat gab das Familiengericht M. zu verstehen, dass er damit voraussichtlich keinen Erfolg haben würde. Die abschließende Entscheidung war aber noch nicht gefallen, wie es in einem Bericht des Innenausschusses der Bürgerschaft heißt. Darin steht auch, dass die getötete Frau zwei Mal Anzeige wegen Bedrohung gegen M. erstattete.

Weil das Jugendamt wegen möglicher Kindeswohlgefährdung ein Verfahren gegen ihn eingeleitet hatte, sollte M. ein Anti-Aggressionstraining absolvieren. Außerdem durfte er seine Tochter seit März nur in Begleitung sehen.

So auch am Tattag, an dem er unter Aufsicht eine Stunde mit der Einjährigen verbrachte. Nachdem die Mutter das Kind wieder abholte, kam es in der S-Bahn zu einem Streit, wo­raufhin M. erst auf seine Tochter Mariam und anschließend auf seine Ex-Freundin Sandra P. einstach. Er flüchtete zunächst vom Tatort, wählte dann aber den Notruf und teilte der Polizei seinen Aufenthaltsort mit.

Zu Beginn des Prozesses ließ der Angeklagte seinen Verteidiger eine kurze Erklärung verlesen. Darin gab er zu, seine Ex-Freundin und seine Tochter erstochen zu haben. Was er ihnen und den Angehörigen angetan habe, sei eine Sünde. „Herr M. betet für Mariam und Sandra P.“, verlas der Anwalt. M. brach während der Verhandlung mehrfach in Tränen aus.

Bis Anfang Dezember sind insgesamt 15 Verhandlungstage angesetzt.

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