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Bundesrat lehnt Fristverlängerung abFerkelkastration nur mit Betäubung

Die Länderkammer kassiert Anträge, das Verbot der betäubungslosen Kastration zu verschieben. Damit folgt sie dem Rat von Tierschützern.

Ferkel an Muttersau: Im Alter von wenigen Tagen werden männlichen Tieren die Hoden entfernt Foto: reuters

Berlin taz | Der Bundesrat hat es abgelehnt, das Verbot der betäubungslosen Kastration von Ferkeln zu verschieben. Die Länderkammer ließ entsprechende Anträge zum Beispiel aus Bayern und Niedersachsen bei einer Abstimmung am Freitag durchfallen. Damit bleibt es zumindest vorerst dabei, dass ab 1. Januar 2019 Ferkeln nur noch mit Betäubung die Hoden entfernt werden dürfen.

Niedersachsen wollte eine Verschiebung bis maximal Ende 2020, Bayern sogar bis Ende 2023. Andernfalls würden viele deutsche Sauenhalter wegen der Betäubungskosten aufgeben, war die Begründung.

In der Debatte positionierte sich erstmals das Bundesagrarministerium von Julia Klöckner (CDU). Ihr Staatssekretär Hermann Onko Aeikens forderte die Länder auf, das Verbot zu verschieben. Sonst würden noch mehr Ferkel aus dem Ausland importiert, wo Deutschland keinen Einfluss auf den Tierschutz habe. Klöckner war Fragen nach ihrer Meinung über eine Verschiebung bislang stets ausgewichen.

Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, kritisierte die Entscheidung des Bundesrates als „ein fatales Signal für die Ferkelerzeuger“. Aufgeben will Rukwied noch nicht, denn er erklärte weiter: „Jetzt ist der Bundestag gefordert, schnellstmöglich eine Lösung zu suchen“.

Aeikens' Stellungnahme für eine Verschiebung der Betäubungspflicht sei eine Kampfansage, sagte hingegen der Chef des Deutschen Tierschutzbundes, Thomas Schröder. „Der müssen die Fraktionen im Bundestag widerstehen.“ Alles andere „wäre ein Verrat am Tierschutz und ein Verrat am Staatsziel Tierschutz.“

Peta protestiert vor dem Bundesrat

Vor der Abstimmung hatten männliche Aktivisten der Tierrechtsorganisation Peta in blutigen Unterhosen vor dem Bundesratsgebäude gegen eine Verschiebung demonstriert.

Viele deutsche Sauenhalter kritisieren, dass nach jetziger Rechtslage nur ein Tierarzt die Betäubung durchführen darf, was mit höheren Kosten verbunden ist. Stattdessen wollen sie – wie ihre Kollegen etwa in Dänemark – selbst die Ferkel mit Spritzen betäuben. Tierschützer halten das aber für ähnlich schmerzhaft wie die Kastration ohne Betäubung. Sie weisen darauf hin, dass das Verbot bereits 2013 beschlossen worden ist. Die Branche habe genug Zeit gehabt, um Alternativen zu der nach Meinung der Tierschützer grausamen Kastration ohne Betäubung finden.

Die ökologisch orientierte Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft fordert eine Frist nur bis Anfang 2020. Eine Bedingung: Der Staat soll Narkosegeräte bezuschussen.

Derzeit werden in Deutschland jedes Jahr rund 20 Millionen männliche Ferkel kastriert. Der Grund: Wegen der Sexualhormone würde andernfalls das Fleisch von 2 bis 10 Prozent der Eber stinken, wenn es in der Pfanne landet.

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9 Kommentare

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  • Übrigens, industrielle Ferkelerzeuger haben keine Probleme mit der Umsetzung des Kastrationsverbotes, meistens haben sie schon einen angestellten Tierarzt und wenn nicht stellen sie einen ein. Die deutschen Schweine Mäster haben auch kein Problem mit dem neuen Gesetz, sie kaufen ihre Mastferkel aus Holland oder Dänemark oder von deutschen industriellen Ferkelerzeugern. Auf der Strecke bleibt der bäuerliche deutsche Sauenhalter.

  • Verband der ferkelerzeuger sagt ja alles. Nicht Züchter, Erzeuger... sie sehen das Tier als bloßes Produkt zur profitmaximierung nicht als Lebewesen. Die sollte man mal zwangskastrieren...

  • Der bayr. Antrag ist der Grund, die CSU nicht zu wählen.

  • Herr Maurin, warum erwähnen Sie zwar, wie viele Ferkel in Deutschland kastriert werden, aber nicht, wie viele Ferkel in Ländern wie Dänemark und Holland mit Methoden kastriert werden, die in Deutschland aktuell nicht zulässig sind? Oder dass diese Ferkel massenhaft nach Deutschland importiert werden, weil deutsche Sauenhalter angesichts derart ungleicher Wettbewerbsbedinungen schon reihenweise aufgegeben haben?

    Für was stehen Sie eigentlich?



    Für eine einheitliche EU mit gleichen Bedingungen für alle?



    Oder dafür, dass in Zukunft jedes Land der EU sein eigenes opportunistisches Süppchen kocht?

    • @Harald Müller:

      Ich stehe für nachhaltige Tierhaltung (und für eine Landwirtschaft), die auf die Gemeingüter (Wasser, Luft, Klima, Biovielfalt, Gesundheit) Rücksicht nimmt und sie nicht samt mit den Tieren zu kurzfristige Profit quasi-industrieller Agrofirmen opfert. Das wollen mehr und mehr Bürger/vVerbraucher und also das will auch der Markt. Die deutsche Landwirtschaft stellt sich selbst in Gefahr, braucht keine ausländische Konkurrenz dafür, indem sie die Anpassung verweigert (DBV) oder bremst, und ihre Akzeptanz dabei verspielt. Industrielle Sauenhalter sind sowieso überholt, die Zukunft gehört den Vegetariern (aus überdruss) oder der Qualität, d. h; den Kleinbauern. Und die Krisen vom Weltmarkt sind im ExportModell auch tödlich, deshalb hören schon viel auf.

      • @Eulenspiegel:

        "Ich stehe für nachhaltige Tierhaltung"! Wenn Sie bitte noch erklären auf welchem Planeten, bzw. in welcher Galaxis es dies gibt! Auf diesem Planten hier gibt es dies jedenfalls NICHT! Vielen Dank im Voraus. Zudem, gäbe es eigentlich auch nachhaltige Menschenhaltung? Selbstverständlich mit allen Konsequenzen wie jährliche Vergewaltigung (Säuglingsnahrung-> Milch/Milchprodukte, Kindesraub-> Kälber), Qual, lebenslang eingepfercht sein, im Kindesalter ermordet zu werden...

        de.wikipedia.org/wiki/Cowspiracy

        www.peta.de/cowspiracy

        www.netflix.com/de/title/80033772

        • @Unbequeme Wahrheit:

          Diese Vergleiche bzw. gleichen Begrifflichkeiten wie Verg+#§"$"% verletzen Menschen und können sie retraumatisieren. Solche Vergleiche sollten entsprechend NICHT vollzogen werden! Tierausbeutung ist so grausam genug, und es gibt genug vernünftige Gegenargumente ohne solche Vergleiche. PETA macht auch solche Vergleiche und tritt die Würde von Menschen mit Füßen. Es gibt viele emanzipatorische Tierbefreiungsgruppen, die tolle Tierbefreiungsarbeit machen und ohne solche Vergleiche auskommen. Anstatt PETA sollten jene Tierbefreiungsgruppen unterstützt werden!

      • @Eulenspiegel:

        Fehlt noch, dass bei der "Tierhaltung" die Interessen der Tiere berücksichtigt wird - nämlich die nach Schmerzfreiheit und Leben. Todgestreichelt werden sie jedenfalls nicht.



        Wenn Ausbeutung, Schmerz, Tod usw. einbezogen würde, so liegt es nahe - die "Haltung" von Rindern und Hühnern zu hinterfragen, da sämtliche betroffene Tiere nämlich früher (Kälber, Küken) oder später ("ältere" Hühner und Kühe) getötet werden. So gesehen gehört die Zukunft den Veganer*innen - sowohl als Konsument*innen als auch als Produzent*innen. ;)

        • @Uranus:

          Dem ist nichts hizuzufügen! Apropos VeganerInnen, OHNE eine (schnellstmögliche) konsequente vegane Lebensweise, wird es für sämtliche Lebengrundlagen allen Lebens KEINE Zukunft geben, zeitnah!