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„Wir zelebrieren das Sich-fallen-Lassen“

ROCK-’N’-ROLL-HAPPENING Das Berliner Frauenduo Cobra Killer über die Vorzüge ihrer sturen Live-Inszenierung, Songs über den Morgen nach der Erderwärmung und ihren hohen Bekanntheitsgrad im befreundeten Ausland

COBRA KILLER

Das Berliner Duo Cobra Killer besteht aus Annika Line Trost (32) und Gina V. D’Orio (31).

Seit der Bandgründung im Jahr 1998 sind die beiden Musikerinnen berühmt-berüchtigt für ihren ohrenbetäubenden Maschinen-Rock-’n’-Roll irgendwo zwischen Softporno-Swing, Postpunk und digitalem Hardcore sowie für ihre knapp beschürzten Auftritte.

Diese Happenings streifen Lolita- und Dominafantasien genauso wie den stoisch durchexerzierten Exzess. Gerade ist auf Gudrun Guts Label Monika Enterprise das fünfte Cobra Killer Album „Uppers And Downers“ erschienen.

Das Konzert zum Record Release findet heute Abend im Festsaal Kreuzberg statt.

Beginn 20.00 Uhr.

Support: Die Toten Crackhuren im Kofferraum & The Smokin 44’s; DJ-Sets von Dälek und Marc Brandenburg gibts es als Zugabe. KR

INTERVIEW KIRSTEN RIESSELMANN

taz: Vor zehn Jahren, noch ganz am Anfang Ihrer Karriere, haben Sie mal auf die Frage, um was es Cobra Killer geht, mit einer Gegenfrage geantwortet: „Wie soll man mit Leuten, die nur in der Missionarsstellung Sex haben, die Revolution machen?“

Annika Line Trost: Oh Mann, waren wir gut, wir waren schon immer so gut!

Haben Sie denn mittlerweile eine Antwort gefunden?

Trost: Wir haben festgestellt, dass wir, ob wir wollen oder nicht, etwas auslösen, etwas Revolutionäres, etwas Sexuelles. Und wir finden immer noch, dass Einseitigkeit uninteressant ist.

Sieht ein Cobra-Killer-Auftritt deshalb seit zehn Jahren immer gleich aus? Sie entern die Bühne in Highheels und Ledermänteln, übergießen sich mit Rotwein, lassen einen Hula-Hoop-Reifen kreisen und stagediven?

Trost: Wir reagieren einfach nur auf unsere Musik. Wir müssen uns nicht ständig neu erfinden, wie Madonna. Zu jeder Platte ein neues Image: Dazu haben wir gar nicht die Zeit! Wir finden, dass unsere Egos alleine schon ausreichen, wir brauchen keine erfundenen dazu.

Gina V. D’Orio: Auf der Bühne zelebrieren wir das Sich-fallen-Lassen. Wir wollen uns im Vorhinein keine Gedanken machen über irgendwelche Konzepte – dazu hätten wir sowieso nicht genügend Disziplin. Wenn sich beim Publikum eine meditative Trance herstellt, dann ist das gut.

Als Sie vor kurzem vor Dinosaur Jr. aufgetreten sind, hörte sich die Trance des neben mir stehenden älteren Langhaarigen so an: „Wow, die Kleine ist süß, die Große ist heiß!“ Machen Sie auch wegen solcher Reaktionen stur das Immergleiche?

Trost: Man muss sich schon fragen, warum man anscheinend manchen Leuten immer noch was vor den Latz knallt. Dabei müssten Punkrock doch wirklich alle kennen. Das hat man doch in seiner Trotzphase als Dreijähriger schon durchlebt. Unsere Intention ist ja keine andere als die von AC/DC.

Sie sagen gern, dass Sie sich als Helferinnen Ihres Publikums sehen. Welche Erfolge können Sie in zehn Jahren verbuchen?

D’Orio: Da muss ich mal in unser Buch schauen. Es ist großartig, mit anderen Momente der Freiheit zu teilen. Das hilft uns ja auch. Dabei, so schön ineffektiv zu sein. Nur alle vier Jahre eine Platte zu schaffen.

Sind Sie eine feministische Band?

Trost: Überhaupt nicht! Wir werden immer nur in Interviews auf dieses Thema gestoßen.

D’Orio: Als wir angefangen haben, Musik zu machen, waren wir noch nicht mal geschlechtsreif! Wir wissen natürlich heute, dass wir für viele Leute so etwas in dieser Richtung bedeuten, würden aber auch Musik machen, wenn wir Männer wären. Es ginge gar nicht anders.

Trost: Als ich zwei war, war ich in den Gitarristen von Trio verliebt. Mir wurde schnell klar, dass das keine richtige Beziehung sein kann, wenn ich vor der Bühne stehe und er oben.

Und jetzt haben Sie für Ihr neues Album nur großnamige Männer für Kooperationen gewonnen – Thurston Moore, J. Mascis, Jon Spencer und die Prinzen.

Trost: Dass man als Frau Männer dabeihaben will, ist doch ganz natürlich. Wir machen das ja jetzt schon lange, wir kennen einfach viele Leute. Sonic Youth haben wir schon 2002 bei einer Tour supportet – da war ich gerade schwanger. Und jetzt hat sich Thurston Moore so indirekt angeboten.

D’Orio: Und mit dem Gitarristen Jon Spencer waren wir letztens auf Tour. Den haben wir einfach nach einem Auftritt mit unserem portablen Studio aufgenommen. Ein strohhalmdicker Strahl rann ihm vom Kinn, was man dem recht schwitzigen Lied jetzt anhört. Den Prinzen haben wir erzählt, es geht in dem Stück, für das wir dringend einen Chor brauchten, um die Klimaveränderung.

Da wäre ich bei dem Text „Schneeball in die Fresse – bis in die totale Depression“ nicht drauf gekommen.

„In Barcelona werden wir erkannt, in Berlin nicht“

ANNIKA TROST, COBRAKILLER

D’Orio: Doch, es geht um die Erderwärmung. Wir wollen die Eisbären retten. Die totale Depression setzt am Morgen ein, nachdem du die Eisbären gerettet hast. Aber es geht auch um eine Schneeballschlacht. Jungs gegen Mädchen. Das hat früher so viel Spaß gemacht. Aber es gibt ja leider nicht mehr so viel Schnee.

In Berlin sind Sie immer noch Underground, im Ausland dagegen richtiggehend berühmt.

Trost: Stimmt, wenn wir in Barcelona über die Straße laufen, werden wir erkannt – hier nicht.

D’Orio: Doch, hier jetzt manchmal auch – von den ganzen Easyjet-Touristen aus Barcelona. Wir waren von Anfang an immer überall auf der Welt, wir haben unsere ersten Platten in England und in Australien veröffentlicht, wir waren nie einfach nur hier. Warum jetzt im türkischen Fernsehen unsere Clips laufen und man uns in Neuseeland besser kennt als in Berlin – keine Ahnung.

Trost: Es passiert trotzdem immer noch, dass Veranstalter denken: Ach, da kommen zwei Mädchen in hohen Schuhen – dafür Geld zu bezahlen, sehe ich gar nicht ein. Aber es ist Zeitverschwendung, sich darüber zu ärgern.

Was für eine Kobra müsste daherkommen, um Ihren Killerinstinkt auszulösen?

D’Orio: Keine! Wir mögen alle Tiere auf der Welt!

Trost: Wir hätten uns auch fast mal umbenannt, in „Die weiße Massai“ bzw. in „Die Klosterfrau und der Melissengeist“ – aber diese Alternativen haben sich bei uns nicht durchgesetzt.

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