piwik no script img

Jugend forscht

Hoffenheims Nachwuchs misst sich heuerin der Youth League mit Europas Besten. Das kann schon mal an die Substanz gehen

„Wachsen an diesen Spielen“: Benjamin Wallquist, hier im österreichischen Nationaltrikot, spielt für Hoffenheims U19 Foto: imago

Aus HoffenheimTobias Schächter

Benjamin Wallquist ist zwar erst 18 Jahre alt, aber in Bezug auf die Youth League so etwas wie ein Routinier. Schon mit 17 kam er einst bei RB Salzburg zu Spielzeit in der europäischen Spitzenliga für Juniorenteams. „Unvergesslich“ nennt der Österreicher seinen Kurzeinsatz für RB bei 20 Grad Minus in Almaty, der Metropole Kasachstans. An diesem Dienstag bestreitet Wallquist bereits seinen dritten Einsatz in der Youth League, seit Mitte 2017 spielt der Innenverteidiger für die TSG Hoffenheim. Weil die Profis der TSG erstmals in die Champions-League-Gruppenphase eingezogen sind, nimmt auch die U19 der Badener erstmals an der Youth League teil.

Den Auftakt gewannen die Hoffenheimer in der Ukraine gegen Schachtjor Donezk mit 2:1, heute steht nun das erste Heimspiel gegen Manchester City an; die Begegnungen finden immer am Nachmittag vor den Spielen der Profis statt. Wallquist ist voller Vorfreude, der Hoffenheimer Kapitän sagt: „Das erlebt man nicht alle Tage, die Youth-League-Spiele sind ein Highlight in der Karriere eines jungen Sportlers. Sie sind die beste Draufgabe zur Bundesliga, die ich mir vorstellen kann.“ Ähnlich positive Töne sind von jedem Spieler zu hören, der in diesem Wettbewerb vorspielt.

Doch seit die Youth League von der Uefa vor fünf Jahren eingeführt wurde, wird sie auch mit Skepsis begleitet. Die ohnehin große Belastung der Talente werde durch die Reisen zusätzlich unnötig erhöht. Mit Schule und Sport seien die Spieler „an der Grenze der Belastbarkeit angekommen“, mahnte damals etwa der damalige DFB-Sportdirektor Hansi Flick. Dieser Kritik schließt sich aktuell auch Julian Nagelsmann an. Der Profitrainer der TSG kennt die Gegebenheiten im Jugendbereich aus seiner Zeit als Nachwuchscoach in der Akademie. „Für ein, zwei Topspieler pro Jahrgang ist die Youth League eine gute Sache.“ Für den Großteil bedeute der Wettbewerb aber auch Ballast, sagt Nagelsmann, weil die Schule sehr leide, wenn die Spieler bei Auswärtsfahrten drei Tage aus ihrem Alltag gerissen werden.

In der U19-Auswahl der TSG stehen sechs Spieler, die das Abitur schon in der Tasche haben, der Rest macht es in diesem Jahr. Auch Benjamin Wallquist ist Abiturient, er sagt, ihm falle die Schule zum Glück leicht. Die TSG versuche den Ausfall der Schulzeit für die Spieler mit „besonderen Maßnahmen“ zu kompensieren, erzählt Dirk Mack, der Direktor Nachwuchs der Hoffenheimer. In enger Absprache mit den Schulen habe man schon in den Sommerferien die Fußballtalente mit Stoff versorgt, damit diese nicht immer mit dem Lernstoff hinterherhinkten. Zudem unterstütze die eigene pädagogische Abteilung der Akademie und der Verein „Anpfiff ins Leben“, den TSG-Gesellschafter Dietmar Hopp einst ins Leben rief, die Schüler noch intensiver. Auf den Reisen wie zuletzt in die Ukraine könnten die Schüler auch auf ihrem iPad E-Learning-Programme nutzen. Die Belastung verlange den Spielern natürlich auch sehr viel Selbstdisziplin ab, weiß Mack und erklärt: Organisatorisch sei alles an die Abläufe der Profis während der Reisen angekoppelt, da seien keine zusätzlichen Belastungen für die Akademie entstanden.

Doch nicht nur in der schulischen Ausbildung verändert die Youth League den gewohnten Rhythmus der Talente. U19-Trainer Marcel Rapp sieht neben den „tollen Erlebnissen“ und den „intensiven Spielen“ auch Nachteile in den Vergleichen mit Europas Topteams. Durch die mindestens sechs englischen Wochen bis Weihnachten und die dadurch erforderliche Regeneration geht viel Trainingszeit verloren. „Für die individuelle Entwicklung der Spieler bleibt da keine Zeit, sie leidet in diesen Phasen“, sagt der 39-Jährige.

Rapp hat sich vor dem Start der europäischen Spiele mit seinem Kollegen in Dortmund ausgetauscht, der BVB ist ja regelmäßiger Gast in der Youth League. Wie sich die zusätzliche Belastung auf die Spiele in der Bundesliga auswirkt, vermag Rapp noch nicht zu beurteilen, er sagt: „Ich hoffe, die Youth League beflügelt uns.“ TSG-Kapitän Benjamin Wallquist glaubt: „Die Spiele sind eine Erfahrung, an der man als Mannschaft und Einzelner wachsen kann.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen