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„Dafür braucht es die taz nicht“

Produktives Zusammenarbeiten statt Wehmut nach dem Vergangenen – zum 40. Jubiläum der ersten taz-Nullnummer übernahm die Ursprungsbesatzung von damals die taz-Redaktion für einen Tag

Oben: J. Beck, T. Hartmann, M. Sontheimer, G. Schmitz, R. Schäffer, P. Huth, S. Schaaf, H. Kamp, H. Fricke, K.-H. Ruch, M. Kempe, P. Grafe, G. Bauer, K. Kruse, W. Zügel. Unten: G. Hentschel, S. Porn, B. Seel, U. Scheub, C. Dilg, J.-M. Bouguereau, J. Winter, M. T. Mehr, G. Kromrey, A. Eckert, D. Metk, V. Gaserow Foto: taz

Von Tobias Schulze und Hanna Voß

Das mit Kauder bedeutet vielleicht das Ende für Merkel. Warum sollen wir denn darüber nicht berichten?“ taz-Nachrichtenredakteurin Sunny Riedel, vor 40 Jahren noch nicht geboren, widerspricht Peter Huth, kurz vor der Rente, Typ Iggy Pop. Der findet, Volker Kauder und die CDU müssen in der Sonderausgabe nicht auftauchen: „Das steht doch schon in allen Zeitungen. Dafür braucht es die taz nicht.“

Vor genau 40 Jahren, am 27. September 1978, erschien die erste Ausgabe der taz. Zum Jubiläum haben 43 Gründer*innen das Blatt wieder übernommen. Manche arbeiten bis heute bei der taz. Andere gingen zum Spiegel oder zum ZDF. Wieder andere zogen in Parlamente ein, haben Galerien eröffnet oder betreiben Cafés. Nun sind sie noch einmal zusammengekommen.

Redaktionskonferenz am Morgen: Die Alten erklären den Jungen, wie die Sache läuft. Auf Seite 1, unter dem historischen taz-Schriftzug von 1978, geht es um den Staatsbesuch von Erdoğan, drei Gründer schreiben über die Anfänge der Zeitung und Abonnent*innen der ersten Stunde schreiben Leser*innenbriefe.

Das große Doppelinterview mit Martin Schulz und Daniel Cohn-Bendit ist noch nicht fertig, die Interviewer haben es erst Dienstagabend geführt. Michael Sontheimer, der in den 1990ern Chefredakteur war und an diesem Tag die Produktion leitet, macht sich aber keine Sorgen. Die fertige Fassung noch mal den Interviewten vorlegen, wie es mittlerweile üblich ist? Die Zeit könne man sich heute ja wohl sparen. „Autorisierungen haben wir früher auch nicht gemacht“, sagt er. Da staunen die Jungen. Max Thomas Mehr, der das Interview geführt hat, bringt sechs Stunden später den Untertitel des Beitrags auf Zeile. Um halb drei hätte die Seite in der Druckerei sein müssen, jetzt ist es schon nach vier. 15 Seiten musste er auf eine kürzen – und die fertige Version doch noch zur Autorisierung schicken. „Das ist heute selbstverständlich, da hat der Michael Quatsch erzählt“, sagt Mehr.

1978 habe sich die Redaktion um solche Regeln noch nicht geschert. Aber heute, sagt der 65-Jährige, der die taz 1991 verließ und heute als freier Journalist arbeitet, gehe das nicht mehr. „Das Ergebnis sollte man am Ende absprechen.“ Mache Sontheimer, der inzwischen beim Spiegel arbeitet, sicherlich auch so.

Das Interview erscheint am Ende in der Rubrik „Magazin“, die ein Comeback bekommt. So wie die Rubrik „Betrieb und Gewerkschaft“ und die Frauenseiten, die Gitti Hentschel betreut, wie schon in den Anfangsjahren. Später leitete sie das feministische Gunda-Werner-Institut der Heinrich-Böll-Stiftung. Hentschel hat viel zu tun: In der Konferenz erinnerte sie an die tags zuvor vorgestellte Studie zur sexuellen Gewalt in der katholischen Kirche – jetzt muss sie nicht nur die Frauenseiten redigieren, sondern auch noch die Studie kommentieren.

Sie mache das gern, klar. „Aber mich ärgert das auch. Dass ich diesen Kommentar verfasse und die beiden Frauenseiten betreue, ist kein Zufall.“ Ganz leicht hätten die taz-Journalistinnen es 1978 nicht gehabt: Die Männer hätten den Frauenthemen wenig Beachtung geschenkt. „Wir Frauen fühlten uns stark und emanzipiert. Gleichzeitig wollten wir von den Männern anerkannt werden. Ein zermürbender Kampf.“

Und heute? „Erst gestern habe ich alle wieder darauf hinweisen müssen, dass auf den ersten fünf Seiten unserer Ausgabe nur Männer über Männer schreiben“, sagt Hentschel. Abgesehen vom Editorial auf Seite 2 von Vera Gaserow, die bis 1991 im taz-Inlandsressort, danach unter anderem bei der Zeit arbeitete.

„Was uns jetzt wieder zusammengebracht hat, ist ein prägendes Stück Vergangenheit sowie die Lust und die Verantwortung, uns weiterhin einzumischen“, sagt Gaserow im Editorial. „Und nicht zuletzt ist es der Stolz, gemeinsam ein Projekt auf die Beine gestellt zu haben, das sich als unschlagbare Überlebenskünstlerin erwiesen hat: die taz.“

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