Kolumne Aufgeschreckte Couchpotatoes: Georgien – wo Fusion Tradition hat
Georgien ist das diesjährige Gastland auf der Frankfurter Buchmesse. Tekuna Gachechiladze stellt die köstliche georgische Küche vor.
G eorgien hat eine alte Kultur, orthodoxe Klöster und Kirchen, die schneebedeckten Berge des Kaukasus, eine eigene Schrift und Sprache, fromme Bewohner, die an jeder Kirche das Kreuz schlagen. Es hat viele Schriftsteller und auch die im Exil Lebenden kommen nicht von ihrer schwierigen Heimat los. Es gibt eine moderne Clubkultur in Tiflis, wo das Präservativ im Hotel als Grundausstattung neben der Duschhaube liegt. Und Georgien ist arm, das merkt man nicht nur in der Altstadt von Tiflis, wo jedes zweite Haus abgestützt werden muss.
Eingezwängt zwischen den Giganten Russland und Türkei, an der Kreuzung von Europa und Asien hatte es viele Herren und viele Einflüsse. Georgien heute gibt sich modern, westlich orientiert, angespannt gegenüber Russland. Touristisch ist es eine Überraschung: landschaftlich, kulturell und kulinarisch.
Tekuna Gachechiladze kocht im Restaurant Littera in einem schönen Innenhof hinter dem georgischen Schriftstellerhaus. „Fusion ist in Georgien nichts Neues“, erzählt die blonde Köchin auf Deutsch. „Perser, Osmanen, Russen, alle haben ihre kulinarischen Spuren hier hinterlassen. Manchmal schmeckt es mediterran, manchmal fernöstlich.“
Koriander, Knoblauch, Ingwer, wilder Thymian, Estragon, Dill, glatte Petersilie, junges Selleriegrün, rotes Basilikum – die Vorspeisen, etwa die Mkhali, kleine Bällchen aus Gemüse und Kräutern, oder auch die Badridschani, mit Walnusspaste gefüllte Auberginenscheiben, sind raffiniert gewürzt. Die Mongolen hinterließen die mit Pilzen, Fleisch oder Käse gefüllten Teigtaschen, Chinkali. Die Osmanen brachten die gefüllte Paprika, die Perser die Liebe zum Granatapfel und die Russen Sauerrahm und Rote Bete .
Tekuna Gachechiladze
Die georgische Küche hat sich jahrhundertelang entwickelt. Gachechiladze treibt diese Entwicklung weiter. Auch wenn ihre Einsichten auf Widerstand stoßen. Als sie in ihrer populären Kochfernsehsendung über den mongolischen Ursprung der georgischen Teigtaschen, Chinkali, sprach, sei ihre Mutter entsetzt gewesen. Eine nationale Beleidigung: „Das sei doch nun wirklich typisch georgisch!“
„Die vielen Einflüsse, die wir kulinarisch aufgesogen und neu verwoben haben, das ist unsere Identität. Nur der Wein, der ist vom Ursprung her georgisch“, behauptet Gachechiladze. Schon vor 5.000 Jahren wurde Wein angebaut. Sogar das traditionelle Kreuz der georgischen orthodoxen Kirche besteht aus Weinreben. Die Bewohner Kachetiens keltern seit Generationen ihren eigenen Wein, die Reben – es gibt in Georgien fast 500 autochthone Sorten – wachsen hinterm Haus. In den Kwewri, dickbauchigen Ton-Amphoren, lagert der Wein. Sie werden in der Erde vergraben, luftdicht versiegelt, sodass der Wein samt Kernen, Stielen und Schalen in aller Ruhe reifen kann. Der Kwewri sowie die Fermentierung und Lagerung von Wein gehören seit 2013 zum Immateriellen Weltkulturerbe.
Auf der Buchmesse: Georgia is cooking. Freitagsküche, Mainzerlandstr. 109, Menü mit Wein: 49,- Euro, www.buchmesse.de
„Diese Art der Fermentierung gibt dem Wein einen herben, besonderen Geschmack“, sagt Gachechiladze. Sie studierte Psychologie in Heidelberg. Für ein Austauschjahr ging sie nach New York, verliebte sich in die Stadt und das Kochen. „Ich gab alles auf, blieb in New York und arbeitete in unterschiedlichen Restaurants, bevor ich nach Georgien zurückkam“, erzählt Gachechiladze.
Dass ihre Entscheidung richtig war, wird sie auf der Frankfurter Buchmesse im Oktober unter Beweis stellen. Dort kocht sie für die Gäste des diesjährigen Gastlands Georgien. Falls es dort zu ausschweifenden Tischgelagen kommen sollte, die in der Regel von einem Zeremonienmeister, einem Tamada, geleitet werden, muss man nur ein Wort verstehen: „Gaumarjos“ – Prost! Ansonsten weiteressen und -trinken.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!