Parteiwechsel von der AfD zur Linken: Eine AfDlerin sieht rot
Tanja Bojani, Abgeordnete im Osnabrücker Kreistag, wechselt von der AfD zu den Linken. Die werden damit so stark wie die Rechtspopulisten.
Von „abstrusen Diffamierungen“ in der AFD berichtet Bojani, von Einschüchterungsversuchen: „Ich fühlte mich psychisch unter Druck gesetzt; man verlangte von mir, mich zu politischen Themen nicht zu äußern.“ Fraktionssitzungen habe sie „aus Angst“ nicht mehr besucht. Bojani distanziert sich nicht zuletzt von „menschenverachtender Hetze“, beklagt „ein unsachliches und inhumanes Niveau“.
Tanja Bojani stößt 2015 zur AfD. Es ist ihr erstes politisches Engagement. Was sie erlebt, ist ernüchternd: „Viel Pauschalisierung, flache Propagandasprüche. Da herrschte völlige Eindimensionalität. Alles wurde aufs Thema Asyl umgebogen, ob es passte oder nicht.“
Bojani verteilt Flyer, diskutiert an Infoständen. Es dauert, bis sie erkennt: „Kleine Leute wie ich sind denen im Grunde überhaupt nichts wert: Du kannst nichts, du bist niemand, also sei still! In der AfD gilt nur was, wer was hat, wer was darstellt.“ Auch der kalte, harte Ton missfällt ihr. „Der ständige Zoff, das Intrigieren, das Schikanieren. Wirkliches Arbeiten war fast unmöglich. Das war nicht das, was ich wollte.“
Bojani will nie rechts gewesen sein
Sie habe Sätze zu hören bekommen wie: „Stell dich nicht so an, wir sind keine Wohlfühlpartei!“ Ihr Facebook-Account sei gehackt worden: „Ich fühlte sich regelrecht überwacht.“ Manche Gespräche, sagt sie, hätten Verhören geglichen. Von Frauenfeindlichkeit erzählt Bojani, von Psychoterror.
Irgendwann reicht es ihr. Bojani ruft Andreas Maurer an, den Linken-Fraktionschef. Sie kennt ihn aus den Ausschüssen. Oft hat sie Linken-Anträgen ihre Stimme gegeben. „Da lag das für mich nahe.“ Und dann geschieht, was Bojani den Einzelkampf im Kreistag erspart: Die Fraktion der Linken nimmt sie auf – durch den Neuzugang ist sie jetzt genauso stark wie die der AfD. Bojani: „Ich bin sehr dankbar, das ist mutig.“ Und dann sagt sie noch: „Ich war immer bunt, aber nie rechts.“
Verbotene Kandidatur
Wer Tanja Bojani erzählen hört, fühlt sich an Franziska Schreibers Buch „Inside AfD – Der Bericht einer Aussteigerin“ erinnert. Abenteuerlich allein die Geschichte ihrer Kandidatur zum Bundestag 2017. Bojanis Wahlflyer sind schon gedruckt, aber sie darf zur Wahl nicht antreten, denn „in den Augen der Parteispitze war mit mir die Falsche aufgestellt worden“.
Bojanis Kandidatur wird beim Wahlamt gecancelt. Ein Vorgang, der symptomatisch ist für den desolaten Zustand der AfD in Stadt und Landkreis Osnabrück. Bojani: „Es würde mich nicht wundern, wenn sie noch vor Ende der Wahlperiode auseinanderfällt.“
Linken-Fraktionschef Maurer, braucht dringend Erfolge, nachdem ihn das Landgericht Osnabrück im Juni wegen Wahlfälschung bei der Kommunalwahl 2016 zu sieben Monaten Haft auf Bewährung verurteilt hat. Er sagt: „Wir haben lange beraten, in der Fraktion, mit Parteimitgliedern, ob wir das riskieren wollen. Schließlich setzt uns das ja auch unter Erklärungsdruck. Aber wir werden keine 100 Tage brauchen, um zu beweisen, dass das eine gute Entscheidung war.“
Die AfD kritisiert Bojanis AfD-Kritik
Der AfD-Fraktionschef Felix Elsemann kritisiert, dass Bojani ihr Mandat nicht niederlegt: „Mit den politischen Zielen der AfD brechen, die Geldbezüge aber weiterhin einstreichen – Glaubwürdigkeit sieht anders aus.“ Bojanis Rücktritt habe bei der AfD „Verwunderung“ ausgelöst. Frauenfeindliche Diffamierungen habe es nicht gegeben, nur „innerparteiliche Kritik“.
Vor wenigen Wochen sei Bojani „mit Begeisterung“ zum Bundesparteitag gefahren. „Auf etlichen Fotos wurde sich medienwirksam u. a. mit Herrn Gauland, Herrn Höcke und Frau von Storch präsentiert. Die Personen, die sie jetzt stellvertretend für das Klima in diesem Land verantwortlich macht!“
Gab es das schon mal? Raus aus der AfD, rein zu den Linken? „Ich glaube“, sagt Maurer, „das ist das erste Mal.“ Bojani werde sich bei ihrer „zweiten Chance“ auf Soziales konzentrieren. Was Maurer durch Bojani gewinnt? Mehr Geld für seine Fraktion, mehr Abstimmungsgewicht. Aber jeden genommen hätte er nicht: „Seehofer“, sagt er, „hätte bei uns keine Chance gehabt.“
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