: FDP fordert Abschiebestopp
In Niedersachsen wollen Grüne und Liberale, dass Geflüchtete, die Arbeit haben, eine Perspektive bekommen
Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) hat sich dafür ausgesprochen, dass abgelehnten Asylsuchenden, die gut integriert sind und einen Arbeitsplatz haben, über ein Einwanderungsrecht ermöglicht wird, in Deutschland zu bleiben. Er nennt das Spurwechsel.
Ein Einwanderungsgesetz haben Union und SPD schon im Koalitionsvertrag angekündigt, um gegen den Fachkräftemangel vorzugehen. Das Gesetz soll noch in diesem Jahr durchs Bundeskabinett gehen.
Die Bundes-CDU sträubt sich jedoch dagegen, Fachkräftezuwanderung und Asylrecht zu vermischen – obwohl die SPD den Spurwechsel fordert.
Von Andrea Maestro
„Wir brauchen diese Menschen im Handwerk“, sagt Karl-Wilhelm Steinmann über Geflüchtete. Der Präsident der Handwerkskammer Hannover unterstützt die Idee, dass Menschen, deren Asylantrag abgelehnt wurde, die aber Arbeit haben, in Deutschland bleiben dürfen (siehe Kasten). Würden Kollegen trotz der Bemühungen der Betriebe abgeschoben, seien „die Handwerksmeister absolut frustriert“.
Die Grünen im niedersächsischen Landtag fordern von der Landesregierung, sich für die Bleibeperspektiven gut integrierter Menschen auf Bundesratsebene einzusetzen. Menschen aus der Ausbildung abzuschieben, sei großer Unfug, sagt Fraktionschefin Anja Piel. „Wie erklären Sie den alten Menschen in einem Pflegeheim, dass ihr Bezugspfleger abgeschoben wird und stattdessen ab morgen jemand von der Zeitarbeitsfirma kommt?“, fragt sie in Richtung des niedersächsischen Wirtschaftsministers Bernd Althusmann (CDU).
Der ist zwar für ein Zuwanderungsgesetz, hatte den sogenannten Spurwechsel aber „sehr zurückhaltend“ beurteilt, da hiervon ein falsches Signal ausgehe. Auch sein Parteikollege Uwe Schünemann übte Kritik: Das Aufenthaltsgesetz biete bereits die Möglichkeit, dass Geflüchtete während ihrer Ausbildung und zwei Jahre danach geduldet werden – die 3+2-Regelung. Diesen Menschen wolle er Perspektiven aufzeigen, sagte Schünemann. Falsche Anreize für Geflüchtete, die sich nicht weiter qualifizierten, sondern nur einen kurzen Arbeitsvertrag, etwa in einer Pizzeria, hätten, wolle er nicht setzen.
SPD-Innenminister Boris Pistorius hat sich in der Vergangenheit mehrfach für einen Spurwechsel ausgesprochen. Nun wolle er die Abstimmungsprozesse in Berlin abwarten. Die Grüne Piel forderte die SPD auf, sich „das Einwanderungsgesetz nicht wieder von der Union abkaufen“ zu lassen.
Die FDP will erreichen, dass die Landesregierung in der Zwischenzeit selbst aktiv wird. „Vorstellbar ist ein klassischer Abschiebestopp, bis das Gesetz kommt“, sagt Jan-Christoph Oetjen. Auch mithilfe der Härtefallregelung könne das Land dafür sorgen, dass abgelehnte Asylbewerber, die Arbeit hätten, bleiben könnten.
Solche Lösungen würden die Realität anerkennen, „dass Menschen, die hier nach Schutz suchen, länger bleiben, als sie sich das selber gedacht haben“, sagt Oetjen. Sie suchten sich Arbeit, gründeten Familien. „Jeder, der sich einbringt in unsere Gesellschaft, ist ein Mehrwert für uns.“
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